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Meinung: Auf Demontage

Von Andrea Nüsse Vier Wochen lang hatte die Welt den Eindruck, als sei in Palästina Ruhe eingekehrt. Es gab keine Meldungen von palästinensischen Anschlägen, und bis auf die Zerstörung des Sitzes der Autonomiebehörde in Hebron wurde kaum über israelische Militärangriffe berichtet.

Von Andrea Nüsse

Vier Wochen lang hatte die Welt den Eindruck, als sei in Palästina Ruhe eingekehrt. Es gab keine Meldungen von palästinensischen Anschlägen, und bis auf die Zerstörung des Sitzes der Autonomiebehörde in Hebron wurde kaum über israelische Militärangriffe berichtet. Die palästinensische Regierung schien an Reformen zu basteln. Doch der Schein trog.

Israel hat bis auf Jericho die gesamte Westbank wiederbesetzt und etwa 700 000 Menschen unter Hausarrest gestellt, der nur stundenweise zum Einkaufen aufgehoben wurde. Premierminister Ariel Scharon hat klar gestellt, dass die israelische Armee auf absehbare Zeit in den Palästinensergebieten bleiben wird. Die internationale Gemeinschaft soll sich derweil um die Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten kümmern. In Botschaften an US-Außenminister Colin Powell und das so genannte Quartett hat Scharon als Voraussetzung für politische Verhandlungen gefordert, dass die Palästinenser ihre Waffen niederlegen und ihre Führung auswechseln.

So fordert Israel die totale Niederlage der Palästinenser, bevor es wieder zu Gesprächen bereit ist. Gleichzeitig hat Scharon mit der Schließung der Büros von Sari Nudelsieb in Ost-Jerusalem gezeigt, dass er auch mit gemäßigten palästinensischen Politikern nicht verhandeln will. Der Jerusalem-Beauftragte der PLO hatte das Rückkehrrecht der Flüchtlinge in Frage gestellt und unter Palästinensern großen Unmut ausgelöst. Da Scharon zudem immer wieder betont, dass er keine Siedlungen in den Palästinensergebieten räumen wird, sehen viele Palästinenser in solchen Gesprächen ohnehin wenig Sinn. Zumal US-Präsident Bush deutlich gemacht hat, dass er in absehbarer Zeit nicht in den Konflikt eingreifen und Druck auf Israel ausüben will.

Die Antwort von palästinensischer Seite kam in den vergangenen Tagen: Der Überfall auf einen Siedlerbus in den besetzten Gebieten und der doppelte Selbstmordanschlag in Tel Aviv. Auch wenn die Anschläge zeitlich mit dem Treffen des Quartetts mit der US-Regierung zusammenfielen: Sie sind anders als oft in der Vergangenheit wohl nicht gegen Versuche gerichtet, eine politische Lösung zu finden. Denn nachdem Bush nun gerade seine „Vision“ vorgetragen hatte, war klar, dass von den Gesprächen in Washington keinerlei neue Initiative ausgehen wird. Vielmehr ging es bei den Anschlägen darum, Israel zu beweisen, dass auch die Wiederbesetzung der Gebiete keine Sicherheit bringen wird. Überraschend an dem Anschlag auf den Siedlerbus ist, dass hier möglicherweise verschiedene militante Gruppen zusammengearbeitet haben. Die professionelle Koordination und die Tatsache, dass drei verschiedene Fraktionen sich zu dem Anschlag bekannten, sprechen dafür. Eine Allianz zwischen den Al-Aqsa-Brigaden, die der Fatah Arafats nahe stehen, mit den islamistischen Gruppen Hamas und Dschihad hatte sich bereits seit Jahresbeginn abgezeichnet. Beobachter vermuten, dass die israelische Armee ihre Militäroffensive im März auch gestartet hat, um diese sich anbahnende Zusammenarbeit zu verhindern.

Arafats Einfluss auf diese Vorgänge ist nur noch gering. Die gezielte Demontage des Palästinenserchefs hat ihre Früchte getragen, auch wenn er immer noch an der Spitze der Autonomiebehörde steht. Er kontrolliert die lokalen Gruppen der Al-Aqsa-Brigaden nicht, sein Sicherheitsapparat ist kopflos, hunderte von palästinensischen Offizieren wollen den Apparat angeblich verlassen. So schreitet die Anarchie fort, während in bestimmten Zirkeln die Reformdebatte läuft, deren Ergebnisse sich durchaus sehen lassen können. Doch auch diese Konzepte werden die Gewaltspirale nicht beenden.

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