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Fabian Leber, Redakteur Meinung -

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Kein Grund zum Feiern

Fabian Leber über das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung

Die Eilmeldungen aus Karlsruhe lesen sich recht ähnlich in jüngster Zeit: "Verfassungswidrig", "nichtig", "besonders schwerer Eingriff". In Karlsruhe, so scheint es, werden die politisch bedeutenden Entscheidungen getroffen, nicht in Berlin, von der Exekutive, wo sie eigentlich hingehören.

Viele feiern sich jetzt nach dem Richterspruch zur Vorratsdatenspeicherung als Sieger. Zum Beispiel Außenminister Guido Westerwelle. Er sagt: "Ich finde es hervorragend, dass Liberale dieses Urteil erstritten haben" - was schon allein deshalb bemerkenswert ist, weil Westerwelle nicht nur FDP-Chef, sondern auch stellvertretender Vorsitzender jenes Verfassungsorgans ist, das in Karlsruhe formal eine Niederlage einstecken musste: der Bundesregierung.

"Das ist ein wirklicher Tag zur Freude", erklärt auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger - in Berlin, nicht in Karlsruhe, wo sie als eine der Klägerinnen gegen die Bundesregierung eigentlich hätte Platz nehmen sollen. In Karlsruhe wäre ihr während der Urteilsverkündung vielleicht aufgefallen, dass der Sieg gegen die vermeintliche "Datenkrake" (Grünen-Fraktionschefin Renate Künast) beim näheren Hinsehen gar kein so eindeutiger ist. Ohnehin ist ein Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht nur ein geliehener Sieg, keiner, für den sich Parteien stolz auf die Brust klopfen sollten. Und so laufen die Liberalen (im Verbund mit Grünen, Verbraucherschützern und Netzaktivisten) in dieselbe Falle, die Guido Westerwelle vor drei Wochen als Vorwand für seine Hartz-IV-Kritik benutzte: Sie legen ein durchaus ausgewogenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts einseitig in ihrem Interesse aus.

Denn was haben die Verfassungsrichter eigentlich verworfen? Zunächst einmal haben sie festgestellt, dass die Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten für sechs Monate als "besonders schwerer Eingriff in das Fernmeldegeheimnis" zu werten ist. Da die Datenverwendung von den Bürgern nicht bemerkt werde, sei die Vorratsdatenspeicherung in ihrer bisherigen Form geeignet, "ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen".

Andererseits sind die Richter aber auch der Meinung, dass eine Speicherungspflicht in dem vorgesehenen Umfang "nicht von vornherein verfassungswidrig" ist. Grundsätzlich stellen sie sich sogar auf den Standpunkt, dass Telekommunikationsdaten "für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung" sind. Die Verfassungshüter fordern vom Gesetzgeber, "anspruchsvolle" und "klare Regelungen" zur Datensicherheit, Datenverwendung, Transparenz und zum Rechtsschutz der Betroffenen festzulegen.

Im Grunde genommen hat das Verfassungsgericht also eine schlampige Gesetzesausführung moniert. Das ist schlimm genug - wenn der Staat Grundrechte seiner Bürger tangiert, dann ist er um seiner eigenen Glaubwürdigkeit willen zu hoher Sorgfalt verpflichtet. Verletzt er das Transparenzgebot, dann läuft er Gefahr, die legitimen Ziele, die hinter seinem Handeln stehen, zu diskreditieren.

So ähneln sich die letzten beiden Entscheidungen: Mit der schludrigen Berechnung des Existenzminimums wurde Hartz IV in Verruf gebracht; durch die nicht verhältnisgemäße Ausgestaltung der Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung wird das übergeordnete Ziel, terroristische Anschläge und schwere Straftaten zu verhindern, unnötig aufs Spiel gesetzt. Das ist kein Grund zum Feiern.

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