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Henryk Broder

© privat

Auf den Punkt: Sport kam nicht in Frage

Henryk M. Broder, der Kulturjournalist des Jahres, über - Henryk M. Broder.

Zum Kulturjournalisten des Jahres ernannt zu werden, ist nicht nur eine große Ehre, es ist das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit. Als ich vor nunmehr über 4o Jahren beschloss, Journalist zu werden, hatte ich bereits erste praktische Erfahrungen gesammelt: als Chefredakteur der Schülerzeitung am Kölner Hansa-Gymnasium, die Hansekogge. Ich überlegte, ob ich mich um ein Praktikum beim Kölner Stadt-Anzeiger bewerben sollte, entschied mich dann aber für ein praxisorientiertes Volontariat bei den Hamburger "St. Pauli Nachrichten". Dort schrieb ich Texte über die Porno-Produktion in Dänemark, Live-Sex-Acts im "Salambo" und das Leben auf der Reeperbahn: "Komm mit meinem Pimmel in den siebten Himmel". Und so ergab es sich fast von allein, dass ich Kulturjournalist wurde. Die Alternative, Wirtschaftsjournalist zu werden, schien mir zu gewagt, da ich nach nur zwei Semestern das Studium der Volkswirtschaft abgebrochen hatte. Auch Sport kam nicht in Frage, nachdem ich im Abitur die Sportprüfung verweigert hatte.

Ich habe meine Entscheidung nie bedauert. Als Kulturjournalist genießt man eine Unabhängigkeit, die vor allem auf dem eigenen Urteilsvermögen basiert. Man kann etwas gut oder schlecht finden, ohne es begründen zu müssen. Man kann mit Plattitüden angeben ("Die Basis ist die Grundlage des Fundaments") und mit Banalitäten Punkte sammeln ("Das muss man differenzierter betrachten!"). Vor allem aber bekommt man jede Menge Bücher und Platten zur Rezension zugeschickt, so hat man immer eine taktische Geschenkreserve zur Verfügung.

Sehr schön sind auch die Einladungen zu den Verlagspartys auf der Buchmesse, wo man Kollegen treffen und Erfahrungen austauschen kann. Allerdings habe ich noch nie zwei Kollegen vom Fach erlebt, die sich über Kultur unterhalten hätten. Meist reden sie darüber, wie das Frühstück im Urlaub war und welcher Autohersteller die günstigsten Journalisten-Rabatte anbietet.

Was mich angeht, liegen meine Präferenzen woanders. Ich war noch nie in der Oper, das letzte Theaterstück, das ich gesehen habe, war das Musical "42nd Street" auf dem Broadway, ins Museum gehe ich nur, wenn es regnet und ich den Schirm vergessen habe, der letzte Roman, den ich von Anfang bis zum Ende geschafft habe, waren die "Drei Musketiere" von Alexandre Dumas. Allerdings schaue ich jeden Tag "kulturzeit" auf 3sat, vor allem wegen der "Kulturtips". Ich kenne alle guten Cafes zwischen Reykjavik und Tel Aviv und kann mit verbundenen Augen grünen Thai-Curry vom roten Thai-Curry unterscheiden. Und das ist in der Tat viel mehr, als man von einem Kulturjournalisten erwarten kann.

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