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Meinung: Aus einem Schicksalsroman

Fast sorglos: Der Berliner Bankskandal hat weniger Schaden angerichtet als erwartet

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wir sind noch mal mit einem blauen Auge davongekommen. Wir, die Steuerzahler Berlins. Vor fünf Jahren, als der Skandal um die geschlossenen Immobilienfonds der Bankgesellschaft die CDU/SPD-Koalition in Berlin sprengte, sah es ganz anders aus. Wäre der landeseigene Konzern damals in Insolvenz gegangen, hätte die öffentliche Hand für einen Schaden von 21,6 Milliarden Euro einstehen müssen. Unvorstellbar, empörend.

Aber nach 2001 geschah ein kleines Wunder. Aus der bösen Bankgesellschaft ist ein gutes Kreditinstitut geworden, das der Berliner Senat im nächsten Jahr für mindestens drei Milliarden Euro verkaufen will. Und es kann gelingen, den materiellen Schaden für den Landeshaushalt so zu minimieren, dass die Steuerzahler am Ende nicht draufzahlen müssen. Trotzdem wird jetzt ein zweites großes Strafverfahren gegen frühere Bankmanager vorbereitet.

Sollte das Hauptverfahren eröffnet werden, wird es vor Gericht zum ersten Mal um den Kernbereich des Bankenskandals gehen. Um jene tausende Schrottimmobilien, die in riesige Fonds geschoben und dann bundesweit verscherbelt wurden. Versehen mit Rund-um-sorglos-Garantien, für die das Land Berlin noch bis 2032 haften muss. Juristisch gesehen geht es um einen besonders spektakulären Fall von Wirtschaftskriminalität, der allerdings schwer zu ahnden ist. Das liegt am deutschen Strafrecht, das wirtschaftliches Handeln schützt. Denn es gibt keine freie Ökonomie ohne Risiko und nicht jeder, der wirtschaftlich scheitert, ist ein Verbrecher.

Trotz dieser juristischen Haken und Ösen nagt an jedem, der die Berliner Bankenaffäre aufmerksam mitverfolgt hat, ein tief sitzendes Rachegefühl. Verflixt noch mal, es muss doch möglich sein, außer Kontrolle geratenen Bankdirektoren das Handwerk zu legen! Aus dem Geschäft sind sie alle, die Landowskys, Rupfs und Schoeps’. Dort haben sie auch nichts mehr zu suchen. Sie haben nicht nur eine große Bank, sondern das Land Berlin an den Rand des Abgrunds gebracht. Das mag straf- und zivilrechtlich nicht zu sanktionieren sein, aber politisch und moralisch.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss wird bald seinen Abschlussbericht vorlegen: einen Schicksalsroman der Berliner Nachkriegsgeschichte, wenn auch schwer lesbar. Ein Volksbegehren zum Bankenskandal kam nicht zustande, weil deren Urheber versuchten, ihre berechtigte moralische Empörung und ihren verletzten Gerechtigkeitssinn in verantwortungslose Forderungen zu gießen. Sie wollten die böse Bank zwangsweise Pleite gehen lassen. Das Landesverfassungsgericht schob dem einen Riegel vor.

Der große Verlierer der Affäre ist zweifellos die Union. Bis heute. Zwar hat sich die Berliner CDU von jenen Parteifreunden, die mit den dubiosen Immobiliengeschäften der Bank verwoben waren, längst getrennt. Aber damit hat sie auch die Regierungsmacht verloren. Als fleißiger Aufräumarbeiter konnte sich die SPD erst gemeinsam mit den Grünen, dann mit der PDS präsentieren. Gäbe es einen Gott der Banken – die Genossen brächten ihm ein Dankopfer dar.

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