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Ausbau der Stromnetze: Der nächste Großkonflikt

Jetzt muss es schnell gehen, sagt der Bundeswirtschaftsminister. In elf Jahren wird das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet.

Von Anna Sauerbrey

Jetzt muss es schnell gehen, sagt der Bundeswirtschaftsminister. In elf Jahren wird das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet. Bis dahin muss das Stromnetz ausgebaut werden, um erneuerbare Energien vom Norden in den Süden zu schicken. 3500 Kilometer neue Netze hält die Deutsche Energieagentur (Dena) für nötig. Nur: Bislang kann sich das Genehmigungsverfahren für eine neue Stromtrasse leicht fünf bis zehn Jahre hinziehen. Der Bund will deshalb mehr Kompetenzen beim Ausbau der Stromnetze. Am Freitag wurde das „Beschleunigungsgesetz“ im Bundesrat diskutiert. Notfalls soll auch der Naturschutz eingeschränkt werden.

Warum der Bund den Ländern die Kompetenz teilweise entziehen will? Ein Grund könnte darin liegen, dass den Bundeswirtschaftsminister eine böse Ahnung umtreibt: Der Ausbau der Stromnetze hat das Potenzial, ein ähnlich großer Gesellschaftskonflikt zu werden wie die Atomkraft. Sollen Entscheidung deshalb weit weg von den Kleingärtnern gefällt werden, die gegen neue Trassen kämpfen? Bereits jetzt gibt es überall in Deutschland Bürgerinitiativen, die vor toten Vögeln, Elektrosmog und kaputter Landschaft warnen.

Im Umgang mit den Sorgen der Anwohner ist Sensibilität gefragt. Schon heute ist Deutschland zugebaut. Kläranlagen und Logistikzentren, Bundesstraßen und Autobahnen segmentieren das Land, während auf den Hügelkuppen die Windräder rudern. Das mag man bedauern. Eine Naturliebe, die rein ästhetisch ist, führt allerdings nicht weiter. Deutschland ist ein Industrieland und will es auch bleiben. Dazu gehören neue Stromtrassen. Es gilt allerdings, sorgsam abzuwägen, wann es um romantische Landschaftsbewahrerei geht und wann die Substanz bedroht ist. Die Bürger müssen früh und umfassend informiert werden, vielleicht auch einige Kilometer der teureren Erdkabel verlegt werden. Außerdem sollte die Regierung noch einmal prüfen, wie viele Kilometer Kabel tatsächlich nötig sind und sich nicht nur auf Zahlen der semi-privaten Dena verlassen. Noch gibt es die Chance, verhärtete Fronten wie im Streit um die Atomkraft zu vermeiden.

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