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Meinung: Berlinale 2001: Die Lust auf das Kino der Welt

Die 51. Berlinale ist eröffnet: eine ziemlich unrunde Zahl.

Die 51. Berlinale ist eröffnet: eine ziemlich unrunde Zahl. Und doch erscheint manches diesmal runder als zum Jubiläum 2000, das im glanzvollen Umzug des Festivals zum Potsdamer Platz seinen symbolischen Ausdruck fand. Denn mit dem jetzigen Jahrgang verbinden sich zwei tiefe Zäsuren. Die 51. Filmfestspiele sind die letzten unter dem jahrzehntelangen Gespann Moritz de Hadeln und Ulrich Gregor. Und es ist die erste Berlinale nach dem Zugriff des Bundes auf die Berliner Festspiele. Für sie will er künftig allein die Verantwortung übernehmen.

Beides gegen manches Getöse durchgesetzt zu haben, ist ein Verdienst des nun schon ehemaligen Kulturministers Naumann. Der Ausflug dieses Journalisten in die Politik bedeutet einen Einschnitt in die Festspielgeschichte - etwa so gravierend wie jener des Journalisten Wolf Donner, der in einer ebenso kurzen wie turbulenten Amtszeit als Berlinale-Chef mehr bewegt hat als sein Nachfolger de Hadeln in 22 Jahren. Die von Naumann durchgesetzte Ablösung des verdienten, aber in eigener Sache gerne auf Maximalpositionen beharrenden de Hadeln war überfällig. Dabei ist ihm keineswegs - man muss dies gegen die Macht der Legendenbildung ausdrücklich wiederholen - vorfristig gekündigt worden. Vielmehr kam eine Ausstiegsklausel aus dem Vertrag zum Einsatz, den er selbst 1998 unterzeichnet hatte.

Ebenso weise war es, Berlin die Mitverantwortung für den am weitesten strahlenden kulturellen Leuchtturm der Hauptstadt, die Berlinale, zu entwinden. Mit der "Wer zahlt, sagt an"-Haltung hat Naumann sich zwar nicht gerade Freunde gemacht. Aber angesichts der oft halsbrecherischen Operationen im Kulturetat der finanzschwachen Metropole war die Intervention notwendig. Deshalb nun aber gleich das Hineinregieren des Staates ins Festivalgeschehen zu beschwören, ist übertrieben. Dagegen sprechen schon die Berlinale-Erfahrungen selbst. So hat sich der CSU-Innenminister Zimmermann einst bei seinen berüchtigten Eingriffen in die Programmpolitik der Berlinale wenig darum geschert, dass auch Berlin als Zahlmeister am Tisch saß. Der neue Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin dagegen wirkt trotz seiner künftigen Zuständigkeit für die Berliner Groß-Kultur nicht gerade so, als wolle er bestehende Strukturen mit aller Staatsgewalt aus den Angeln heben. Das ist, nach den reinigenden Naumannschen Gewittern, erst einmal polit-meteorologisch angenehm.

Die alten Gesichter verabschieden sich, die großen Linien stehen fest: So gesehen ist die Berlinale bereits auf gutem Gleis. Nach diesen zwölf Festivaltagen aber wird es Zeit für die Neuen, mit dem designierten Dieter Kosslick an der Spitze. Sie müssen die Binnenstrukturen entwickeln, die dieses Festival fit machen für sein nächstes halbes Jahrhundert. Ganz vorn auf der Wunschliste: ein schlankeres und vor allem besser koordiniertes Programm.

Kosslick hat die Berlinale dieser Tage als "größtes Multiplex der Welt" bezeichnet. Damit hat er recht und zugleich auch nicht. Denn das Festival mit seinen erwarteten 400 000 Besuchern in 30 Kinosälen findet zwar mitten in einem wie um seine Kinos herumgebauten neuen urbanen Zentrum statt; das Publikum aber sucht darin weniger das standardisierte Weltkino, sondern - sehr neugierig - das Kino der Welt. Es demonstriert im Multiplex gegen das Multiplex. Leichthin, wie es seine Art ist, hat Kosslick das Paradox beim Namen genannt. Und eine gewisse Leichtigkeit, nicht zu verwechseln mit Leichtgewichtigkeit, kann nicht schaden, wenn man die Berlinale in ihre Zukunft führen will.

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