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Meinung: Berliner Krisen: Der teure Traum von der Metropole

Bevor Berlin am Ende dieser Woche mit der Auflösung des Abgeordnetenhauses scharf die letzte Kurve zur Wahl im Oktober nimmt, wird der Stadt noch einmal ein Anschauungsunterricht verpasst, der es in sich hat. Die gestrige Hauptversammlung der Bankgesellschaft und die drastische Deflationierung des Flughafenprojekts, die das Flughafen-Konsortium mit seinem mageren 60-Millionen-Angebot vorgenommen hat, setzen Berlin höchst unsanft auf dem Boden seiner Wirklichkeit ab, jenseits von neugewonnenem Politik-Glanz und Promi-Glamour.

Bevor Berlin am Ende dieser Woche mit der Auflösung des Abgeordnetenhauses scharf die letzte Kurve zur Wahl im Oktober nimmt, wird der Stadt noch einmal ein Anschauungsunterricht verpasst, der es in sich hat. Die gestrige Hauptversammlung der Bankgesellschaft und die drastische Deflationierung des Flughafenprojekts, die das Flughafen-Konsortium mit seinem mageren 60-Millionen-Angebot vorgenommen hat, setzen Berlin höchst unsanft auf dem Boden seiner Wirklichkeit ab, jenseits von neugewonnenem Politik-Glanz und Promi-Glamour. Die beiden Unglücksgeschichten sind zwar das Ergebnis von schlimmer Fehleinschätzung und politischer Fahrlässigkeit; beides ist mit Namen und Adresse zu benennen. Doch zum Anlass des Zweifels an der Stadt macht sie der Umstand, dass sich in ihnen ein ganzes Kapitel ihrer Nachwende-Geschichte manifestiert.

Die Scherbenhaufen, die da zu besichtigen sind, haben ja durchaus so etwas wie historischen Rang. Irgendwie stottert die Stadt mit ihnen die Kosten ab für die atemberaubenden Perspektiven, mit denen die Wiedervereinigung sie überwältigte. Ost-westliches Drehkreuz, mitteleuropäische Metropole und was nicht noch alles: Das rief nach Aufbruch, neuer Größe, dem Griff nach morgen und übermorgen. Das verlangte nach kühnen Entwürfen, um die Stadt auf die Höhe ihrer neuen Möglichkeiten zu führen. Der Kraftakt der Gründung der Bankgesellschaft wie der Grossflughafen waren Sprösslinge dieser Euphorie. Wer war da nicht dabei? Nun hat die eine Hoffnung die Finanzen der Stadt erschüttert und die Große Koalition in den Abgrund gerissen, die andere droht zur nervenden Endlos-Geschichte zu werden.

Blickt man auf das Desaster, das am Mittwoch im Estrel-Hotel ausgebreitet wurde, so stellt sich - ebenso wie angesichts der Planungs-Ruine draußen bei Schönefeld - die Frage, ob die Stadt einfach nur den Illusionen aufgesessen ist, die damals die meisten teilten, oder ob sie vor der Aufgabe versagt hat, die ihr die neue Lage Berlins stellte. Oder ist die alte Attitude durchgeschlagen, die der Berliner Spott auf den Nenner bringt: Keine Socken, aber Gamaschen? Natürlich gibt es auch freundlichere Lesarten für die Pleiten und Fast-Pleiten, die die Stadt gegenwärtig auskostet. Man kann in ihnen die unumgänglichen Geburtswehen der Neubegründung einer Stadt erkennen. Vielleicht ist auch eine Gründerzeit ohne Gründerkräche nicht zu haben. Und es ist richtig, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die schönen Prognosen geträumt wurden, niemand vorhersagen konnte, dass der Osten nicht aufblühen, sondern einknicken würde, der Umzug auf sich warten ließ und überhaupt alles viel langsamer, weniger dynamisch, vorangehen würde als jedermann dachte.

Aber solche Einsichten machen die Verlustposten in der Gewinn-Geschichte der Stadt in der Nachwendezeit nicht erträglicher. Es mag sein, dass Berlin, in Wahrheit ein kleines Bundesland, wirtschaftlich ausgedörrt und finanziell seit langem auf dem letzten Loch pfeifend, mit der Zukunft, die ihr die Geschichte da bescherte, in vielem überfordert war. Doch unabwendbar war weder der Niedergang der Bankgesellschaft noch das Ärgernis, dass für das Problem des Luftverkehrs in Berlin auch nach rund einem Jahrzehnt keine Lösung absehbar ist. Politiker, Banker und Planer haben durch ihren Mangel an Umsicht und ihre Unfähigkeit zur Steuerung von schwierigen Prozessen den Gefahren einer unsicheren Lage nicht gewehrt. Sie haben sie vermehrt und das Selbstgefühl der Stadt beschädigt.

Nun ist guter Rat teuer. Wie kommt Berlin heraus aus der Bredouille, in die die Stadt auf ihrer Schussfahrt in die Zukunft geraten ist? Das Fatale ist, dass einem da nur die viel genannten Mühen der Ebenen einfallen, also die Empfehlung des Haushaltens und Sparens und des Kleine-Brötchen-Backens. Allerdings: in dieser Ebene befinden wir uns ja schon seit langem. Auch wäre der Berliner Politik nach ihren gescheiterten Höhenflügen dringend mehr Bodenhaftung anzuraten. Doch man weiß, wie der Berliner Boden beschaffen ist. Eigentlich wäre das alles, Wege und Auswege, auch das Thema des Wahlkampfs. Aber da widmen wir uns ja, bislang jedenfalls, mit Vorliebe wieder aufgewärmten Flegeleien auf Berliner Schulhöfen.

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