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Berliner Schlossplatz: Das Humboldt-Schloss: Ein Sieg der Fassade

Berlin wird bekommen, was es wollte: Ein rückwärts gewandtes, bis in die Kuppel historisierendes Stadtschloss, das Schutz bietet. Schutz vor der angeblichen Unzulänglichkeit zeitgenössischer Architektur.

Am Ende ging es dann sehr schnell und offenbar weitgehend reibungslos. Einstimmig hat sich die Jury für den Entwurf des Italieners Franco Stella entschieden. Eine faustdicke Überraschung – nach jahrelangen hitzigen Debatten um das Humboldt-Forum mit der Schlossfassade. So viel Jurorendisziplin hätte niemand erwartet. Die Preisrichter haben sich der Staatsräson gebeugt.

Franco wer? Der Architekt aus Vicenza ist bisher noch nicht mit großen internationalen Projekten aufgefallen und selbst für Insider ein unbeschriebenes Blatt. Das wiederum darf nicht verwundern. Der Rahmen für das wichtigste Bauvorhaben in der Mitte der Hauptstadt war durch den Beschluss des Deutschen Bundestages derart eng gesteckt, dass sich Baumeister wie I. M. Pei, Daniel Libes- kind, Norman Foster oder Jean Nouvel erst gar nicht am Wettbewerb beteiligten. Die Koryphäen errichten lieber in den Vereinigten Arabischen Emiraten Museen für das 21. Jahrhundert, wo weder Geld noch Nostalgie eine Rolle spielt. Wo große Visionen nicht verpönt, sondern mutig gewollt sind.

Berlin dagegen wird bekommen, was es wollte: eine bis in die Kuppel historisierende Anlage. Ein Stadtschloss, das sich harmonisch in die Umgebung einfügen soll. Da hilft kein Jammern und kein Klagen, es ist ein klarer Sieg. Die Demokratie als Bauherrin wünschte sich die Hohenzollernresidenz zurück. Und Francesco Stellas Pläne scheinen prima vista das weit verbreitete Bedürfnis nach Sicherheit am gründlichsten zu erfüllen. Sicherheit und Schutz vor der angeblichen Unzulänglichkeit zeitgenössischer Architektur.

Nun, da das Rennen um die Barockfassaden endgültig gelaufen ist, richtet sich der Blick nach innen. Die Beweislast lag hier erstaunlicherweise nie bei einem wie auch immer gearteten Traditionsverständnis, sondern beim Neuen – beim Humboldt-Forum. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Landesbibliothek und die Humboldt-Universität müssen der Hülle Geist und Leben einhauchen. Es ist immer noch eine grandiose Idee, in unmittelbarer Nachbarschaft der Museumsinsel, den alten Kulturen Afrikas, Amerikas und des pazifischen Raumes einen würdigen, zeitgemäßen und zentralen Ort zu schaffen – im Geiste Alexander von Humboldts und Claude Lévi-Strauss.

Wenn das gelingen soll, darf es eben kein rein museale Veranstaltung werden. Das bleibt das Grundproblem des Humboldt-Hohenzollern-Kompromisses. Äußerlich wird das Forum – man spricht ja doch immer vom Schloss – ohne jeden Zweifel die Anmutung und Ausstrahlung eines historischen Museums haben. Das ist konsequent, da die Jury die Vorgaben äußerst genau beachtet hat. Im Innern darf man deswegen auch keine allzu großen Überraschungen erwarten. Denn die Schlossfassade, darauf legt der Jury-Vorsitzende Vittorio Lampugnani besonderen Wert, dürfe keine Attrappe werden, sondern Teil eines „Projekts“.

Da fallen einem unwillkürlich die grand projets der Franzosen ein. Sie klotzen in ihrer Hauptstadt mit waghalsiger Architektur. Aber ein Experimentierfeld war Berlin seit der Wiedervereinigung ja nicht wirklich. Vom Hauptbahnhof einmal abgesehen, hat man hier stets – Traufhöhe! – architektonische Höhenflüge gebremst. Von den mehr oder weniger geglückten historischen Rekonstruktionen am Pariser Platz über den Zuschauersaal der Staatsoper, für den nun auch eine rückwärts gewandte Lösung gesucht wird, bis hin zum Stella-Schloss führt eine Linie. Die Skepsis geht im Jubel der Schlossfreunde unter.

Rüdiger Schaper

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