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Meinung: Bewegung des Stillstands

Von Martin Gehlen

Der zweite Erfolg der Zedernrevolution: Eine Woche nach Beginn der Beiruter Proteste kündigte Syriens Präsident Baschar al Assad nun den Rückzug seiner Truppen an. Damaskus meint es offenbar ernst – zumindest für die nächste Zukunft. Denn nur so lässt sich die Lage beruhigen und kann sich der bedrängte syrische Staatschef eine Atempause verschaffen. Ob das jedoch seinen Kopf aus der Schlinge zieht, das steht in den Sternen. Denn wie oft bei fest zementierten Verhältnissen: Wenn die ersten Risse auftreten, kann sehr bald das ganze Gebäude zusammenstürzen. Und Sohn Assad ist schließlich auf den Thron von Vater Assad gekommen, weil er den militärischen und bürokratischen Eliten seines Landes Kontinuität im Stillstand versprach. Nun muss das Familienregime in Damaskus erstmals seit drei Jahrzehnten dem Druck der Straße nachgeben. Das Beispiel könnte Schule machen – und zwar im eigenen Land.

Aber auch im Libanon werden die Karten in diesen Tagen neu gemischt. Freiheit von Syrien rufen ist das eine, die komplexen inneren Probleme anpacken das andere. Eine Entmachtung des syrienfreundlichen Präsidenten Emile Lahoud und seiner Clique ließe sich noch am ehesten bewerkstelligen. Aber was wird aus den riesigen palästinensischen Flüchtlingslagern, die Syrien bislang kontrollierte? Was wird aus der Entwaffnung der Hisbollah, die breite Bevölkerungsgruppen seit Jahren wünschen, um endlich Ruhe zu haben? Einen ersten Vorgeschmack auf die künftigen Konflikte im Land gab letzte Woche eine Aktion der libanesischen Armee, die zwei abschussbereite Katjuscha-Raketen der Hisbollah entschärfte. Denn jetzt, wo es nur noch um ein paar Quadratkilometer bei den Sheeba-Farmen geht, wollen viele Bürger mit Hisbollah-Aktionen gegen Israel nichts mehr zu tun haben. Die Mehrheit der Libanesen fordert eine Zukunft ohne Syrien. Doch ihr Weg zu Souveränität und innerer Stabilität ist auch 15 Jahre nach Ende der Bürgerkriegs noch sehr lang.

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