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Bildungsgipfel: Die Zahl der Zahlen

Kurz vor dem lange erwarteten Bildungsgipfel mehren sich die Anzeichen für einen Flop. Ein Erfolg wäre der Gipfel, wenn Angela Merkel mit einer Zahl an die Öffentlichkeit treten würde: 35 Milliarden Euro wären notwendig, um den Finanzbedarf des Bildungswesens zu decken.

Es war an einem Tag im Frühsommer, als Angela Merkel bei der Festveranstaltung zum 60. Jahrestag der Währungsreform in Berlin die „Bildungsrepublik“ ausrief und einen „Bildungsgipfel“ angekündigte. Die Kanzlerin machte Kitas, Schulen und Unis zur Chefsache und erhob deren Förderung in den Rang einer nationalen Aufgabe.

Um die geweckten Erwartungen noch weiter zu schüren, folgte eine monatelange medienwirksame Rallye: Merkel besichtigte den Schulgarten der Hauptschule Löhne-West, rief die sonst wenig beachtete FH Deggendorf zur „Perle unter den Fachhochschulen“ aus und plauderte in einer dunklen Kreuzberger Werkstatt mit einer auszubildenden Änderungsschneiderin. All das sollte die Bürger auf den Moment neugierig machen, in dem die Kanzlerin gemeinsam mit den Ministerpräsidenten die große nationale Bildungsüberraschung enthüllen würde: am 22. Oktober auf dem Bildungsgipfel in Dresden.

Jetzt mehren sich die Anzeichen für einen Flop. Papiere kursieren, in denen Politiker in Bund und Ländern dutzende von Maßnahmen ankündigen, von der Krippe bis zur Seniorenfakultät. Doch die meisten davon wurden längst beschlossen, etwa die Sprachförderung vor der Einschulung, die Teilnahme an Schulvergleichsstudien oder die Bildungsstandards für das Abitur. Und an neuralgischen Punkten flüchten die Politiker in schwammige Formulierungen. So ließen sie anfangs offen, um wie viel Prozent die Zahl der Schulabbrecher sinken soll, zumindest in diesem Punkt herrscht inzwischen etwas größere Klarheit.

Der Eindruck entsteht, weil es beim Bildungsgipfel nicht wirklich etwas zu zeigen gibt, soll die Öffentlichkeit geblendet werden. Ob der Gipfel Erfolg hat, bemisst sich aber nicht daran, ob nachher in den Kitas ein paar neue „Häuser für kleine Forscher“ geschaffen oder zusätzliche „lokale Partnerschaftsnetzwerke“ für Hauptschüler gefördert werden. Ein Bildungsgipfel ist nicht dazu da, Details zu beschließen. Vielmehr sollte die Kanzlerin mit einer Zahl vor die Öffentlichkeit treten: mit der Summe, mit der die Politik den massiven Finanzbedarf des Bildungswesens von der Kita bis zu den Studienplätzen für die fünf Jahre nach 2010 decken will. Diese Summe beläuft sich auf zusätzliche 35 Milliarden Euro.

Dies ist eine große Herausforderung. Schon vor der Finanzkrise sah es nicht so aus, als wollte die Union sich ihr stellen. Inzwischen liegen Angebote auf dem Tisch, die viel zu niedrig sind: zehn Milliarden (Merkel) und sechs Milliarden (Bundesbildungsministerin Schavan). Dieses Geld aber ist längst verplant und betrifft nicht den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung. Als Erfolg verkauft die Kanzlerin auch das Ziel, bis 2015 drei Prozent am Bruttoinlandsprodukt für Forschung und Entwicklung aufzubringen. Das aber hätte im Zuge der Lissabon-Strategie schon 2010 erreicht sein sollen.

Bereits vor Monaten haben Ministerpräsidenten unionsgeführter Länder damit begonnen, den Gipfel zu untertunneln. Sie pochen darauf, dass Bildung Ländersache ist. Die Kultusministerkonferenz, die sonst nicht als besonders schlagkräftig gilt, hat sich diesmal auf einen viel versprechenden Vorschlag verständigt. Die Länder sollen die „demographische Rendite“ für die Bildung einsetzen, also diejenigen Ausgaben im Bildungssystem lassen, die wegen zurückgehender Schülerzahlen frei werden. Doch die Finanzminister haben die Kultusminister gestoppt. Dieses Geld sei für die teuren Pensionen der Lehrer verplant. Bisher wollen sich die Länder auf nichts festlegen lassen. Stattdessen haben die Ministerpräsidenten den Bund aufgefordert, ihnen einen höheren Anteil am Umsatzsteueraufkommen zukommen zu lassen. Ob davon auch etwas in die Schulen fließe, werde man später entscheiden.

Hat Merkel nicht einen Joker im Ärmel, wird ihr Bildungsgipfel kaum besser enden als der Helmut Kohls vor 15 Jahren. Die Studenten hatten damals für ihre Proteste kaum Zeit, weil das mit Spannung erwartete Spitzengespräch des Kanzlers mit den Ministerpräsidenten nach 30 Minuten endete: ohne Ergebnis.

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