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Meinung: Bonus für den blanken Hans Von Clemens Wergin

Man stelle sich vor, unsereins hätte seinen Überziehungskredit überdehnt. Die Bank rückt kein Geld mehr für Rechnungen raus und bevor der Gerichtsvollzieher den Videorecorder mitnimmt, spricht man mit dem Bankberater.

Man stelle sich vor, unsereins hätte seinen Überziehungskredit überdehnt. Die Bank rückt kein Geld mehr für Rechnungen raus und bevor der Gerichtsvollzieher den Videorecorder mitnimmt, spricht man mit dem Bankberater. Etwa so: Wissen Sie, diese 200 Euro monatlich sind für die Privatschule der Tochter und der andere Posten die Rate für das neue Auto. Wenn man das abzieht, dann ist der Überziehungskredit doch gar nicht ausgereizt. Im normalen Leben würde jeder Bankbeamte mit einem überraschten Lächeln zu verstehen geben, dass man nicht mehr ganz zurechnungsfähig ist, Schulden blieben schließlich Schulden, egal wofür.

Finanzminister scheinen sich zuweilen in einem Paralleluniversum aufzuhalten. Und so kommen sie immer mal wieder, wenn die Schulden arg drücken, auf die Idee, den einen oder anderen Posten aus dem Defizit herauszurechnen, um den Stabilitätspakt einhalten zu können. Gestern waren es die Verteidigungsausgaben, die nicht mehr zu den Staatsausgaben gerechnet werden sollten. Heute will Hans Eichel, dass die Überweisungen an die EU nicht mehr zählen. Die Logik ist simpel: 0,5 Prozent der Staatsausgaben gehen an Brüssel, da darf uns die EU nicht blöd kommen, wenn wir deswegen den Stabilitätspakt reißen.

Unser etwas angestrengt lächelnder Bankberater würde sagen: Schulden sind Schulden, Herr Eichel, egal wofür. Außerdem sind die Nationalstaaten, besonders Deutschland, auf die Idee mit dem Stabilitätspakt gekommen, nicht irgendeine anonyme Verwaltung in Brüssel. Aber in einem Punkt hat Eichel Recht: Deutschland ist immer noch der größte Nettozahler der EU, im Jahr 2003 haben wir 7,6 Milliarden Euro mehr nach Brüssel überwiesen, als wir zurückbekamen. Das können wir uns angesichts unserer finanziellen Schieflage nicht länger leisten. Die Lösung kann aber nicht darin bestehen, den deutschen Schuldenstand zu verschleiern. Vielmehr geht es darum, bei den Anfang 2006 anstehenden Finanzverhandlungen – bei denen die Kommission gar eine Erhöhung der Beiträge durchsetzen will – eine gerechtere Verteilung der Belastungen zu erreichen. Dann muss vor allem der von Margaret Thatcher 1984 ausgehandelte „BritenBonus“ auf den Prüfstand. Es kann nicht sein, dass eine der leistungsfähigsten Volkswirtschaften in der EU jedes Jahr etwa zwei Drittel der eigentlich anfallenden Beiträge automatisch zurückerstattet bekommt, während Deutschland weiterhin zahlt wie in den goldenen 80ern.

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