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Foto: Jörg Carstensen/dpa

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Meinung: Brauchen wir schärfere Anti-Terror-Gesetze?

„Regierung ruft Terroralarm aus“ von Frank Jansen und Hans Monath vom 18. November Bundesinnenminister Thomas de Maiziere warnt vor islamistischen Terror-Anschlägen von Al Qaida zur Adventszeit in Deutschland.

„Regierung ruft Terroralarm aus“ von Frank Jansen und Hans Monath vom 18. November

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere warnt vor islamistischen Terror-Anschlägen von Al Qaida zur Adventszeit in Deutschland. Unvorstellbar – etwa Bombenanschläge auf Weihnachtsmärkten, in Kaufhäusern, in Einkaufsstraßen und in Kirchen? Trägt der Weihnachtsmann dann einen Sprengstoffgürtel unter seinem roten Mantel? Ist dem Islam denn gar nichts mehr heilig?

Roland Klose, Bad Fredeburg

Angst macht einem das schon, ich denke da an die jüngsten Vorkommnisse mit den Paketbomben aus dem Jemen und der Briefbombe, die es bis in die Poststelle des Kanzleramtes geschafft hat. Ich meine, der Innenminister fordert zu Recht, dass Polizei, Staatsanwaltschaft und Geheimdienste mehr Befugnisse bekommen.

Anscheinend sind wir nun tatsächlich ins Visier der international agierenden Terroristen geraten. Auch wenn Herr de Maiziere sagt, die Bürger sollten weiter wie bisher öffentliche Verkehrsmittel nutzen und Weihnachtsmärkte besuchen: Unsere Grenzen sind seit dem Schengen-Abkommen offen, so dass jeder letztlich ohne Kontrolle nach Deutschland einreisen kann, wenn er es nur will. Und dass die Sicherheitsmaßnahmen an anderer Stelle auch nur unzureichend sind, zeigen die oben genannten Ereignisse der jüngsten Zeit. So richtig auf Weihnachten freuen kann man sich da nicht.

Siegfried Zimmermann, Berlin-Reinickendorf

Sehr geehrter Herr Klose,

sehr geehrter Herr Zimmermann,

ich kann Ihre Sorge nach der Terrorwarnung durch Herrn de Maizière sehr gut nachvollziehen. Es ist eine bedrückende Vorstellung, dass in der Weihnachtszeit Anschläge auf vielbesuchte Orte wahrscheinlicher als sonst sind.

Allerdings stellt sich mir die Frage, ob das Rufen nach neuen Gesetzen wirklich die Lösung ist: Al-Qaida-Terroristen verachten unsere Freiheit, die Menschenrechte und die Demokratie und wollen all dies bekämpfen. Kann unsere Antwort sein, dass wir unsere Freiheiten freiwillig aufgeben? Ich glaube nicht. Wir müssen in genau diesen Momenten dafür kämpfen, dass die Terroristen nicht schon gewinnen, indem wir selbst durch Aktionismus immer mehr Freiheit aufgeben. Neue Sicherheitsgesetze wären der falsche Weg.

Es bleibt die Frage: Was bringen uns überhaupt neue Sicherheitsgesetze? Seit dem Detroit-Bomber wird zum Beispiel die Einführung von Nacktscanner diskutiert und erprobt. Selbst die Firma, die die Nacktscanner herstellt, gibt inzwischen unumwunden zu, dass auch Nacktscanner den Detroit-Bomber wahrscheinlich nicht entlarvt hätten. Stattdessen sind in den USA über 100 Nacktbilder, die eigentlich automatisch hätten gelöscht werden sollen, im Internet aufgetaucht. So geht ein Großteil der Privatsphäre und der Freiheit jedes Einzelnen verloren, ohne dass dafür ein Sicherheitsgewinn wahrscheinlich wäre. Die Politik muss wegkommen, von Placebos und gefühlter Sicherheit, bei der Populisten aus den Reihen der Sozialdemokraten und der Union ständig neue Gesetze fordern, die hinterher wenig bis gar keinen Sicherheitszuwachs bewirken oder aufgrund der Kürzungen bei der Polizei nicht angewendet werden können. In den letzten Wochen haben sich die Polizeigewerkschaften DPolG und GdP über massive Überlastungen der Beamten beschwert und Stellenkürzungen kritisiert. Politik sollte darüber nachdenken, wie das Bundeskriminalamt und die Polizei besser ausgestattet werden können, um mit den vorhandenen Sicherheitsgesetzen Terrorismus bekämpfen zu können.

Genau hierfür müssen die bestehenden Gesetze überprüft werden. Das hat die Regierung bereits beschlossen und ich bin gespannt auf die Ergebnisse. Es geht mir dabei nicht nur um die Frage, wie häufig ein Sicherheitsgesetz genutzt wurde, sondern gerade um die Abwägung, ob es so viel gebracht hat, dass es die Einschränkung unserer Grundrechte rechtfertigt. Wenn wir uns diese Frage nicht mehr stellen, haben die Terroristen bereits gewonnen – ganz ohne Anschlag in Deutschland.

Der Kabarettist Dieter Nuhr hat am Freitag geschrieben: „Terrorparanoikern sei gesagt: Statistisch gefährlicher als Al Qaida sind Rottweiler und GTI-Fahrer. Also Straßen und Bürgersteige meiden!“

Da ist ein Funken Wahrheit dran. Natürlich werde auch ich auf dem Weihnachtsmarkt in Kassel oder Frankfurt oder im Hauptbahnhof von Berlin oder Köln ein komisches Gefühl haben, aber wir sollten ruhig bleiben - übrigens selbst, falls ein Anschlag erfolgt. Es geht um unsere Freiheit, unsere Menschenrechte und unsere Demokratie. Dafür sollten wir kämpfen und sie nicht in vorauseilendem Gehorsam selbst aufgeben.

Mit besten Grüßen

Ihr

— Lasse Becker, Bundesvorsitzender

der Jungen Liberalen (Julis)

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