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Meinung: Bündnisausfall

Drei Nato-Staaten verweigern der Türkei Hilfe – als Hebel gegen die USA

Nato-Generalsekretär George Robertson geht jede Neigung zum Dramatischen ab. Mit den abwiegelnden Worten „Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Entscheidung treffen, aber ich bin nicht sicher, wann“ kommentiert er einen Streit im Bündnis, der vorgeblich nur um eine Zeitfrage geht, tatsächlich aber hochexplosiv ist. Frankreich, Belgien und Deutschland blockieren die Beratung darüber, wann mit den Planungen zum Schutz der Türkei vor einem irakischen Angriff begonnen werden kann.

Die Türkei ist als einziges Nato-Land Nachbar des Irak. Die fast 300 Kilometer lange gemeinsame Grenze ist kaum zu sichern. Die Regierung in Ankara hat Angst vor irakischen Attacken im Falle eines Angriffs der USA. Deshalb wollte sie von Deutschland Patriot-Raketen zum Schutz vor Luftschlägen haben, deshalb fordert sie jetzt sofortige Bündnisberatungen nach Artikel 4 des Nato-Vertrages. Der greift, wenn ein Mitgliedsland seine territoriale Integrität und seine Sicherheit bedroht sie.

Wo liegt das Problem, fragt man sich? Nun, es liegt darin, dass zunächst Frankreich und Belgien der Ansicht waren, die Nato solle keine Beschlüsse im Bezug auf den Irakkonflikt fassen, bevor der UN-Sicherheitsrat eine Entscheidung über das weitere Vorgehen gefällt hat. Deutschland ist dieser Position beigetreten. Alle drei Regierungen argumentieren, eine Schutzzusage an die Türkei zum jetzigen Zeitpunkt könne von der Weltgemeinschaft als präjudizierend empfunden werden – als vorauseilende Zustimmung zu einer militärischen Intervention im Irak.

Nun klingt das ziemlich beckmesserisch. Es wäre militärisch verantwortungslos, sich mit einer Angriffsgefahr erst dann zu befassen, wenn sie fast schon eingetreten ist. Nach dieser Logik hätte der Weltsicherheitsrat auch nicht akzeptieren dürfen, dass unter Führung der USA im Mittleren Osten eine Drohkulisse aufgebaut wird. Sondern man hätte damit warten müssen, bis der Irak alle gesetzten Fristen hätte verstreichen lassen.

Bis hier wirkt das Szenario nur kleinkariert und besserwisserisch. Die Türken jedoch müssen das Spiel auf Zeit durch die eigenen Bündnispartner bereits jetzt mit Sorge betrachten. Es geht aber um viel mehr. Deutschland, Frankreich und Belgien benutzen die Türkei als Faustpfand gegen die USA. Denn die Türkei, nicht wahr, hat sich dem amerikanischen Drängen gebeugt und ihren Südosten als Aufmarschgebiet zur Verfügung gestellt und den USA Flugplätze geöffnet. Sie hat damit getan, was sie auch während des ersten Golfkrieges unter allgemeinem Beifall zugestanden hatte. Ohne die türkische Unterstützung wäre der Irak damals nicht zu besiegen gewesen, und das gilt noch heute. Die Weigerung, im Nato-Rat über die Gefährdung der Türkei zu reden und ihr vorzubeugen, ist also einmal eine Strafaktion gegen die Türken, weil sie den USA helfen. Und es ist natürlich eine weitere Ohrfeige für die Amerikaner: Denen wird so bedeutet, dass man jede, aber auch jede Chance nutzen wird, ihnen in den Arm zu fallen und Schwierigkeiten zu bereiten.

Am Ende wird es dennoch zur Hilfestellung für die Türkei kommen, das ist sicher. Dieses Nato-Land kann sich in jedem Fall bedroht fühlen, ob es sich nun an der Aktion gegen den Irak beteiligt oder nicht. Nicht nur deshalb ist die völlig undiplomatische Zuspitzung überflüssig. Im Ernstfall brauchen die USA die Europäer nämlich überhaupt nicht, um der Türkei zu helfen. Paris und Berlin stärken also das Bündnis nicht, wie sie es angeblich immer vorhaben, sondern sie schwächen es ein weiteres Mal. Wundert sich da ernsthaft jemand, dass die USA sich mehr und mehr von ihren Verbündeten abwenden, die nun überflüssig werden?

Gerd Appenzeller

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