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Meinung: CDU: Eine Ente als Köder

Eine "Ente" hat CDU-Generalsekretär Meyer die Meldung genannt, er sei amtsmüde und plane seinen Abgang. Das ist insofern falsch, als eine Zeitungsente ganz und gar nicht stimmt.

Von Robert Birnbaum

Eine "Ente" hat CDU-Generalsekretär Meyer die Meldung genannt, er sei amtsmüde und plane seinen Abgang. Das ist insofern falsch, als eine Zeitungsente ganz und gar nicht stimmt. Im vorliegenden Fall aber handelt es sich eher um eine Tartarenmeldung. Das Wesen der Tartarenmeldung nämlich ist, dass sie - stimmen könnte. Und ganz egal, ob wirklich Tartaren an den Grenzen des Reiches gesichtet worden sind oder nicht: Seine Wirkung tut der Alarmruf in jedem Fall.

Die Behauptung, Meyer denke über seinen Rückzug nach, ist seit Monaten derart plausibel, dass man sich fast wundern muss, dass sie erst zur Sommerpause in die Welt gesetzt wird. Der Mann müsste ja auch verblendet sein, wenn er solche Gedankenspiele nicht mindestens im stillen Kämmerlein schon selbst angestellt hätte. Seit dem Rentenplakat vom Verbrecher-Kanzler ist Meyer in der Versenkung verschwunden. Öffentlich tritt er kaum noch auf, intern ist er zuletzt mit seinen Plänen zur Parteireform im Präsidium ausgebremst worden.

Der unsichtbare General

Dass es so nicht weitergehen kann, ist allen klar. Man kann nicht mit einem unsichtbaren Generalsekretär ins Wahljahr 2002 gehen. Andererseits gibt es in der CDU nur sehr wenige, die sich dringend einen täglichen Meyer in den Nachrichtensendungen wünschen würden. Der Westfale gilt - teils aus eigenem Verschulden, teils durch Verkettung übler Umstände - als Verkörperung des polternden Haudraufs ohne inhaltliche Botschaft. Das ist in einer Partei, die Geißlers und Biedenkopfs zu Generalsekretären hatte, keine Idealbesetzung. Dass, wer über Meyer klagt, in Wahrheit oft seine Chefin meint, macht die Sache für ihn um nichts erfreulicher.

Mit anderen Worten: In der CDU und notabene der CSU gibt es kaum jemanden, der nicht einigermaßen froh wäre, wenn der General seinen Posten freiwillig räumen würde. Damit kommen wir zur interessanten Frage: Wenn wir unterstellen, dass der "Bild"-Bericht im Kern stimmt und nicht nur halbrichtige Zitate und halbfalsche Schilderungen zum Sommer-Luftballon aufpustet - wer hat dann ein Interesse daran, Tartarenalarm zu blasen?

Man ist da auf Indizien und die eigene Logik angewiesen. Einen Hinweis mag die geographische Herkunft des Berichts liefern: Der Verfasser arbeitet in Meyers Heimatland Nordrheinwestfalen. Eine naheliegende These lautet folglich, Meyer selbst oder einer seiner Kumpels habe die Botschaft vom Amtsmüden lanciert, um genau das Szenario zu verhindern, das in dem Bericht ausgemalt wird: Der Generalsekretär wird Zug um Zug kaltgestellt und in den Rücktritt gedrängt. Nicht minder nahe liegt aber die genau entgegengesetzte Theorie: Dem Generalsekretär werden so lange Rücktrittsabsichten angedichtet, bis sich die Prophezeiung selbst erfüllt und er das tut, was man von ihm erwartet. Es gibt für derlei Polit-Mobbing ja prominente Beispiele.

Nur vorläufig gewählt

Für die zweite These sprechen auch ein paar logische Indizien. Meyer ist als Generalsekretär nur vorläufig gewählt; der Parteitag in Dresden Anfang Dezember muss ihn bestätigen. Dazu muss ihn Angela Merkel vorschlagen. Das kann, wenn der General seine Form nicht nachhaltig steigert, eine hochnotpeinliche Veranstaltung werden, bei der die Parteichefin gleich mit auf der Strecke bleibt. Vorher feuern kann sie ihn aber auch nicht ohne konkreten Anlass. Also wäre ein Rücktritt unter allen unangenehmen Varianten noch die vergleichsweise eleganteste Lösung.

Merkel jedenfalls, das ist festzuhalten, hat ihrem Generalsekretär am Montag abend die Geschäfte übergeben und ist in Urlaub gefahren. Zum Rücktrittsgerücht geäußert hat sie sich nicht. Sie hat sich auch nicht hinter Meyer gestellt, hat nicht mal "Quatsch" gesagt, sondern geschwiegen. Spätestens ab jetzt sieht jedermann, dass Laurenz Meyer ein Generalsekretär auf Bewährung ist.

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