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Meinung: Das Mahnmal

„Stoppt den Mahnmalkitsch“ v. 6.

„Stoppt den Mahnmalkitsch“ v. 6. Oktober

Sicher gibt es höchst unterschiedliche Sichtweisen, wenn es um die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis und um das Gedenken an die Opfer der Völkermordverbrechen geht. Selbstverständlich bleibt es dem Autor unbenommen, Kunst zu kritisieren. Seine Ausführungen zum Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas gehen aber schlicht am Eigentlichen vorbei – dieses Denkmal ist eben nicht nur ein Kunstwerk, es geht bei diesem Denkmal für Sinti und Roma, wie bei den anderen, die den anderen Opfergruppen gewidmet sind, zuerst darum, wie die jeweilige Gruppe dieses einzelne Denkmal sieht. Für Sinti und Roma in Deutschland und Europa hat das von Dani Karavan im Auftrag der Bundesregierung entworfene Denkmal eine zentrale Bedeutung. Es drückt auf der einen Seite die Anerkennung des Völkermords an über 500 000 Sinti und Roma in Europa aus – eine Anerkennung, die in Deutschland über viele Jahrzehnte hinweg ausgeblieben war. Es ist der Ort, an dem Deutschland die Opfer der NS-Verbrechen würdigt. Und gleichzeitig gibt das Denkmal Raum für die wenigen Überlebenden und für die Familien, ihrer ermordeten Angehörigen, die keine Gräber haben, zu gedenken.

Hier von Kitsch zu reden, ist weniger noch als schlechter Geschmack. Es ist unanständig.

Romani Rose, Vors. des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg

Wie Herr Lackmann auf die Idee kommen kann, dass dieses Ehrenmal auf die „zweitgrößte Opfergruppe des Dritten Reiches, die sowjetischen Kriegsgefangenen“ hinweisen soll, bleibt ein Rätsel. Er vermisst die „künstlerische Würdigung einer kollektiven Leidensgeschichte“. Das war auch nicht die Intention des Bauwerks, es werden ja noch nicht einmal die Leiden des Krieges und der aktiven Rotarmisten dargestellt – sie liegen in unmittelbarer Nähe unter der Erde, der Schlusspunkt der Leidensgeschichte. Mich beschleicht immer ein ungutes Gefühl, wenn sich – bildlich gesprochen – die Söhne der Tätergeneration über die Ästhetik der Opfer bzw. ihrer Erben mokieren. Fast 70 Jahre nach Kriegsende stört sich Herr Lackmann am „spielzeughaften Agitprop-Pathos“ des Bauwerks. Da hatten Lew Kerbel und Kollegen unmittelbar nach Kriegsende wohl andere Vorstellungen. Dabei gäbe es Möglichkeiten, wo Herr Lackmann seine ästhetischen Vorstellungen einbringen könnte: beim Mahnmal zu Ehren des deutschen Volkes, das sich aus eigener Kraft vom Faschismus befreit hat, oder beim Gedenkstein für die Opfer des Aufstandes der Berliner Bevölkerung April 1945, mit dem die kampflose Übergabe der Stadt erreicht werden sollte. Aber dafür fehlen wohl schlicht die historischen Ereignisse.

Hans-Joachim Ruttke, Seesen

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