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Meinung: Dem V-Mann vertrauen?

Die jüngsten Affären um Spitzel des Verfassungsschutzes zeigen: Riskante Operationen müssen von der Politik besser kontrolliert werden

Von Frank Jansen

V-Mann-Krise im NPD-Verbotsverfahren, V-Mann-Affäre in Berlin-Brandenburg, V-Mann-Verdacht im Prozess gegen die Anführer der „Skinheads Sächsische Schweiz“ und jetzt die Aufregung um den V-Mann Mirko H., der in der Neonazi-Szene eine prominente Rolle gespielt hat – selten sind Verfassungsschützer und Innenminister so unter Druck geraten wie in diesem Jahr. Und es droht noch mehr Ärger. Sollte das Bundesverfassungsgericht zu der Auffassung gelangen, die von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat gestellten Verbotsanträge gegen die NPD seien nicht verhandelbar, weil das Treiben der zahlreichen Spitzel in der Partei unklar bleibt, hätte die Demokratie eine empfindliche Niederlage erlitten.

In allen V-Mann-Fällen ist zu erkennen, dass die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern Risiken in Kauf nehmen, wenn sie an die Effektivität ihrer Szene-Informanten glauben. Da wurden im NPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen mit Udo Holtmann und Wolfgang Frenz der Chef und ein Stellvertreter als V-Männer geführt – obwohl sich der Verfassungsschutz dem Verdacht aussetzte, er steuere die Extremistenpartei. Der Brandenburger Verfassungsschutz übergab seinem V-Mann Toni S. vor einer polizeilichen Durchsuchung einen „sauberen“ Computer, weil der Schützling strafrechtlich nicht auffallen sollte. In Sachsen führte das Bundesamt für Verfassungsschutz den Szene-Anführer Mirko H., der den deutschen Ableger der international agierenden, rassistischen „Hammerskins“ dirigierte. Außerdem betrieb der Spitzel eine eigene Plattenfirma, die eng mit rechtsextremen Bands kooperierte. Und er war an der Produktion einer CD der Band „Landser“ beteiligt, auf der Gewalt gegen Bundestagsabgeordnete, Juden und Migranten propagiert wird. Mirko H. soll auch mit anderen „Hammerskins“ Diskothekenbesucher überfallen haben. Hatte das Bundesamt den V-Mann nicht unter Kontrolle? Oder wurden Straftaten hingenommen, weil Mirko H. als Szene-Prominenter über einen tiefen Einblick ins Kameraden-Milieu verfügte?

Innenminister und Verfassungsschützer betonen immer wieder, ohne Vertrauensleute sei es kaum möglich, an Insider-Kenntnisse aus extremistischen Gruppen heranzukommen. Das stimmt natürlich. Und es wäre naiv, den Verzicht auf V-Leute zu fordern, um Pannen und Affären ausschließen zu können. Notwendig scheint eher, dem Verfassungsschutz bei größeren V-Mann-Aktionen juristisch unter die Arme zu greifen.

Denkbar wäre eine Rechtsvorschrift, die jeden bundesdeutschen Nachrichtendienst verpflichtet, bei einem absehbar aufwendigen und riskanten Einsatz eines Informanten eine richterliche Anordnung einzuholen. Oder die Zustimmung eines parlamentarischen Kontrollgremiums, möglicherweise auch einer G-10-Kommission, deren Kompetenz entsprechend erweitert werden müsste. Bislang entscheiden die in den G-10-Kommissionen sitzenden Bundestags- oder Landtagsabgeordneten „nur“ über die Zulässigkeit der von einem Nachrichtendienst beantragten Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses. Warum sollten demokratische Parlamentarier nicht in der Lage sein, auch bei einem brisanten V-Mann-Einsatz mitzureden?

Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst werden solche Vorschläge vermutlich als Versuch auffassen, ihnen überflüssige Fesseln anzulegen. Doch eine demokratische Gesellschaft sollte das Recht haben, über ihre Abgeordneten prüfen zu können, ob die Informationen eines Neonazi-Spitzels schwerer wiegen als der Schaden, den er als Extremist dem Gemeinwesen zufügt.

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