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Meinung: Den Anschluss verloren

50 Jahre Afrikanische Union: Der Kontinent bleibt vom Fortschritt abgeschnitten.

Wenn die Afrikanische Union (AU) an diesem Wochenende ihren 50. Geburtstag feiert, ist die einst beschworene Vision von einem in Frieden und Wohlstand vereinten Kontinent nicht viel mehr als ein ferner Traum. Politisch ist der Kontinent zerrissen, das zeigen Anschläge radikaler Islamisten und religiöse Unruhen wie jetzt im Schlüsselland Nigeria. Auch wirtschaftlich sind die Hoffnungen von damals zerstoben: Mehr als 50 Jahre nach Beginn der Entkolonisierung sind fast alle Länder in Afrika noch immer vom Export eines einzigen Rohstoffs abhängig und haben kaum verarbeitende Industrie.

Entsprechend spärlich fließen langfristige Investitionen für den Bau von Fabriken. Um solche Gelder zu erhalten, wäre eine viel engere Kooperation der 54 Staaten des Kontinents notwendig. Doch bisher ist davon wenig zu sehen. Der Anteil des innerafrikanischen Handels am Gesamtvolumen des Kontinents liegt noch immer bei nur zwölf Prozent.

Wer in Afrika reisen oder handeln möchte, hat zudem eine grauenvolle Bürokratie zu überwinden. Schon der Erhalt eines Visums ist teuer und zeitaufwendig. Auch das Straßen- und Schienennetz bleibt ein logistischer Albtraum. Erst kürzlich beklagte Kenias neuer Präsident Uhuru Kenyatta, dass die mehr als 70 Millionen Menschen im benachbarten Äthiopien noch immer von der ostafrikanischen Staatengemeinschaft abgeschnitten sind, weil in 50 Jahren keine einzige vernünftige Verbindungsstraße gebaut wurde. Ebenso ernüchternd ist, dass Kenia seit seiner Unabhängigkeit im Jahre 1963 keinen einzigen Kilometer neue Bahnlinie gebaut hat.

Dabei hatte vor einem halben Jahrhundert alles so hoffnungsvoll begonnen. Als Ghana 1957 als erstes Land im Afrika südlich der Sahara unabhängig wurde, war sein Sozialprodukt genauso hoch wie das von Südkorea oder Taiwan. Doch in Rekordzeit steuerte sein Präsident und AU-Gründervater Kwane Nkrumah das Land in den Ruin: Seine sozialistischen Experimente und der von ihm verordnete Einparteienstaat wurden in Afrika zur Regel. Schon nach zehn Jahren wurde Nkrumah aus dem Amt geputscht und starb 1972 einsam im rumänischen Exil. Auf seinen Sturz folgte eine lange Phase politischer Instabilität – für Ghana wie auch den Rest des Kontinents. Kein Wunder, dass Südkoreas Wirtschaftskraft heute fast 30 Mal so groß ist wie die Ghanas.

Gleichzeitig führte die in Afrika praktizierte Politik der Nichteinmischung dazu, dass die vielen Diktatoren dort die Menschenrechte ohne jede Sanktionierung sträflich missachten konnten – und dennoch hoffähig blieben, während sich die AU jahrzehntelang am Apartheidsystem in Südafrika abarbeitete, das als Quelle allen Übels gegeißelt wurde. Auch beim Völkermord in Ruanda, dem 1994 in nur drei Monaten etwa 800 000 Menschen zum Opfer fielen, schaute die AU tatenlos zu.

Kein Wunder, dass in Afrika die bei weitem wirkungsvollste Integration ausgerechnet in einem Bereich gelungen ist, wo seine allein am eigenen Fortkommen interessierten Eliten wenig zu sagen haben: bei den sozialen Medien und im Mobilfunk. Doch für sich allein wird das nicht reichen, um Anschluss an den Rest der Welt zu gewinnen.

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