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Meinung: Der Alte Fritz – Willkür nach seiner Falon

„Der Alte Fritz war nicht unfehlbar“ vom 29. Januar Die Geschichtlichkeit unseres Denkens und Handelns ist eine tolle Entdeckung.

„Der Alte Fritz war nicht unfehlbar“

vom 29. Januar

Die Geschichtlichkeit unseres Denkens und Handelns ist eine tolle Entdeckung. Sie hat Männer wie Hegel und Marx berühmt gemacht. Und wir Normalverbraucher lernen immerhin daran die Demut fürs eigene Tun.

Schön also, dass Sie daran erinnern. Aber auf diese Weise den Alten Fritzen vor Jutta Ditfurth zurechtzurücken, bedeutet jene unbestreitbare Relativität mit einer zeitgenössischen Beurteilung zu verwechseln.

Okay, Sie legen nach mit der Abschaffung der Folter. Aber gerade dieser Umstand ist ein Beispiel für die willkürliche Kabinettsjustiz von Friedrich II. Statt den Kriminalprozess gesetzlich zu reformieren, beließ er es bei Fallentscheidungen und übertrug die Ermächtigung zur Tortur vom landesherrlichen Gericht auf die vielen kleinen Untersuchungsrichter. De facto war das die Wiedergeburt der Tortur auf neuer Ebene. Die „Inquirenten“ benötigten nun keiner höheren Einwilligung mehr und wandten das erwünschte Mittel so energisch an, dass man bald einige „eklatante Justizmorde zu beklagen hatte“ (Alte und neue

Rechtszustäde in Preußen, Preußische

Jahrbücher 5, S. 390, H. v. Treitschke

et al. 1864).

Unser ganzes Land erscheint ja wie blöde beim 300. Geburtstag von Friedrich II. in Verzückung über dessen „erstaunliche Leistungen“. Sie nun mittendrin. Gegen diesen Anfall empfehle ich die Lektüre der kompletten 1200 „Kabinettsordres“, wie sie wortgetreu der gute alte Königsfreund Preuß (passender Namens-Zufall zum Johann David Erdmann) in den Urkundenbüchern veröffentlichte. Aus diesen Verordnungen kann ziemlich unmittelbar der „Geist“ des hochgelobten Monarchen erahnt werden mittels seines gerade für diese Zeit katastrophalen Verhältnisses zu: Kriminalrecht, Strafrechtspflege, Ackerbau, Heer, Offizierskorps, Junkertum, Bürgertum, Regierungsarbeit, Gesindeordnung, Gemeinteilungsgesetz, Militär- und Volksschulen, den vier Landesuniversitäten, Kontributionsverfassung, Akzise- und Zollverwaltung („Regie“), Militär- und Zivilverwaltung , und nicht zu vergessen der friderizianische Merkantilismus, der zum Beispiel 1776 die Ausfuhr von Wolle unter Todesstrafe stellte. Zeitgenosse Lessing jedenfalls fand's scheußlich. Im Ergebnis: von „aufgeklärtem Despotismus“ keine Spur. Nur ein anachronistisch wachsender Militärstaat, der leider erst 20 Jahre und knapp zwei Monate nach dem Tod des Alten unter allgemeiner Erleichterung in Jena für immer zusammenfiel.

Wie lange soll es noch dauern, bis darüber endlich wieder Jubel ausbricht?

Enrico Mönke, Berlin-Grunewald

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