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Meinung: Der Mächtige ist schwach allein

Amerika verpasst die Chance, per UN-Resolution Helfer für den Aufbau im Irak zu gewinnen

Die Überfälle auf US-Truppen im Irak und die Probleme mit der Energie- und Wasserversorgung dort sind vielen Amerikanern plötzlich nur ironische Bemerkungen wert. Wie will Präsident Bush das Stromnetz im Irak in Ordnung bringen, wenn er das nicht mal in Amerika schafft. Die US-Regierung jedoch weiß, dass Erfolg oder Misserfolg des Wiederaufbaus darüber entscheiden, ob es gelingt, den Irak zu befrieden.

Das Tempo hängt mit davon ab, wie viele Partner sich am Aufbau beteiligen. Die meisten europäischen Verbündeten machen das von einer UN-Resolution abhängig, die den Vereinten Nationen die Kontrolle überträgt – was die US-Regierung aber nicht möchte. So war die Verwunderung, waren aber auch die Erwartungen groß, als sich der Sicherheitsrat in der zurückliegenden Woche doch mit einer neuen Resolution befasste. Hat Bush eingelenkt, um die größeren Staaten in Europa zur Unterstützung zu bewegen?

Nein, die neue Resolution lässt fast alles beim Alten. Sie gibt der UN-Mission im Irak nur eine formale Basis für das, was sie bereits leistet: humanitäre Hilfe und Wiederaufbau. Zudem begrüßt der Sicherheitsrat die Einsetzung der provisorischen Regierung in Bagdad als Schritt zu einer gewählten Volksvertretung. Das Pentagon hat sich mit seiner Linie durchgesetzt: „Eine UN-Rolle, aber keine UN-Kontrolle“ und „eine internationale Rolle, aber keine internationale Kontrolle“, wie ein Beamter des Außenministeriums der „Chicago Tribune“ sagte.

Freilich spricht auch vieles dagegen, den UN die oberste Gewalt im Irak zu übertragen. Gibt es einen Grund für die Annahme, eine von den UN geführte Koalition der Willigen werde besser mit den Guerilla-Kämpfern fertig als die US-Truppen? Blauhelme wollen die UN erst schicken, wenn der Irak befriedet ist. Nicht aber, um Frieden zu erzwingen.

Was aber hat Bush von dieser Entwicklung? Seine Regierung hätte ihre Ablehnung substanzieller internationaler Mitsprache diplomatisch geschickter verpacken und den UN wenigstens eine sichtbare repräsentative Rolle beim politischen Wiederaufbau zubilligen können. Die anhaltende Abneigung gegen alles Multilaterale bietet zögernden Partnern eine guten Vorwand, sich weiter aus dem Irak rauszuhalten. Das gilt auch für muslimische Nationen, deren offene Kooperation im Irak Amerika bräuchte, um den Eindruck zu vermeiden, der Widerstand sei so etwas wie ein muslimischer Krieg gegen Eroberer und Besatzer aus dem Westen. Die Gefahr, dass militante Islamisten aus aller Welt den Irak zum Schlachtfeld eines Heiligen Kriegs machen wie früher das von den Sowjets besetzte Afghanistan ist real.

Besonders im „sunnitischen Dreieck“ um Bagdad. Wenn US-Soldaten die Häuser unbeteiligter Bürger stürmen oder versehentlich unschuldige Iraker erschießen, zeigt die Besatzungsmacht ein hässliches Gesicht – und verstärkt so die Abneigung der Einheimischen: Mit untauglichen Versuchen, einen kleinen Widerstand zu brechen, bringen sie die Iraker gegen sich auf und schaffen so womöglich erst großflächigen Widerstand.

Amerika ist dringend darauf angewiesen, dass die Iraker wenigstens Erfolge beim Wiederaufbau sehen und spüren. Doch die dafür nötige Machtteilung mit den UN hält die Regierung Bush offenbar für einen zeitraubenden Umweg. Nun will sie Polizeiaufgaben von den Besatzungstruppen Stück für Stück an irakische Polizeieinheiten übertragen, um die Reibungsflächen mit der Bevölkerung zu verringern. Auch das wird seine Zeit brauchen – wie die Erhöhung des Strom- und des Benzinangebots. Mehr Zeit womöglich, als Amerika bleibt, um das Wohlwollen der Iraker zu gewinnen.

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