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Meinung: Der neue US-Präsident: Der Preis des Föderalismus

Das US-Wahljahr ist vorbei. Ohne Folgen sollte es nicht bleiben.

Das US-Wahljahr ist vorbei. Ohne Folgen sollte es nicht bleiben. Wie sehr es im Gebälk der bekanntesten Demokratie der Welt knirscht, hat das Chaos in Florida der ganzen Welt vorgeführt. Doch das war nur der Endpunkt. Auch über den Sinn und Unsinn der Vorwahlen wird gestritten.

Die häufigste Empfehlung ist eine schlechte: die Abschaffung der Wahlmänner als Puffer zwischen Volksmeinung und Weißem Haus. Dass auf die Wahl am 7. November ein fünfwöchiger Politkrieg folgte, liegt nicht an den Elektoren, sondern an dem simplen Umstand, dass die Wahl so knapp ausging. Wenn wenige hundert Stimmen in einer anderen Industrienation über tausende von Karrieren und Posten entscheiden würden, bräche auch dort Streit aus.

Die Wahlmänner sorgen dafür, dass zwischen den Kandidaten unentschiedene Bundesstaaten Gewicht haben - kleine weniger, große mehr. Als "Schaukelstaaten" bewiesen sich diesmal Schwergewichte wie Pennsylvania und Randstaaten wie Arkansas. Beide sahen viel Präsenz der beiden Kandidaten. Ohne Elektoren gäbe es den Wahlkampf am Boden nicht mehr, es fänden keine Begegnungen zwischen Wählern und Kandidaten statt, es herrschte allein der Druck, auf dem größten lokalen Fernsehmarkt die meisten Wähler zu erreichen. Das Wahlmännerkollegium ist eine Institution, die sich die USA ihrer föderalistischen Ordnung wegen erhalten sollten. Getrost abschaffen kann man die physischen Wahlmänner mit ihren unklaren Vorgaben. Noch ist ja nicht völlig ausgeschlossen, dass am 18. Dezember ein Republikaner umkippt, weil Gore mehr direkte Stimmen erhielt. Ändern zwei ihr Votum, wäre Gore Präsident. So viel Unabhängigkeit ist übertrieben. Die Elektoren sollten zu einer reinen Verrechnungseinheit werden, die sicherstellt, dass Bundesstaaten statt Ballungsräumen zählen.

Nicht zu verteidigen ist die archaische Mechanik und die Zersplitterung der Auszählung. Dass einmal das Ankratzen einer Lochkarte, ein andermal das Kritzeln eines Buchstabens und irgendwo nur das ordnungsgemäße Ausstanzen des ganzen dem Kandidaten zugeordneten Loches als rechtmäßige Stimme gilt, ist abenteuerlich. Diese Uneinheitlichkeit war es auch, die den Obersten Gerichtshof dazu veranlasste, die Nachzählungen in Florida zu verdammen.

Nur: Wie jätet man das Dickicht? Kreise und Bundesstaaten verteidigen ihre Rechte erbittert. Uneinheitlichkeit ist ein Preis, den Amerikas Gesellschaft auf vielen Ebenen bezahlt - und zu zahlen bereit ist. Bildungschancen werden nie gerecht verteilt sein, solange das Einkommen der Eltern in der Nachbarschaft über die Ausstattung der Klassenzimmer entscheidet.

Zur Reform des immer weiter vorgeschobenen Vorwahl-Kalenders liegen endlose Papiere bereit. Sie dürften liegen bleiben. Auch der Post-Patt-Streit garantiert keine Reform. Schließlich hat sich nach dem Parteispendenskandal von 1997 auch die Scheck-Schreiberei nicht geändert. Und nach Lewinsky nicht die Moral. Amerika pflegt Chaos hinzunehmen. Und staunend zu bemerken, wie die Verfassungsordnung doch irgendwie mit allem fertig wird.

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