zum Hauptinhalt

Meinung: Der Problemtourist

Berichterstattung über Touristen in Berlin Zum einen wird in Ihrer Berichterstattung eine Verbindung von Tourismus und Gentrifizierung dargestellt. Diese ist fragwürdig und zeigt eines der Probleme, die die Politik des Senats und der Bezirksverwaltung hinterlassen haben: Es scheint, insbesondere für das alte Kreuzberg 36, zwei verschiedene, sich offensichtlich widersprechende Ziele der Stadtteilentwicklung zu geben.

Berichterstattung über Touristen in Berlin

Zum einen wird in Ihrer Berichterstattung eine Verbindung von Tourismus und Gentrifizierung dargestellt. Diese ist fragwürdig und zeigt eines der Probleme, die die Politik des Senats und der Bezirksverwaltung hinterlassen haben: Es scheint, insbesondere für das alte Kreuzberg 36, zwei verschiedene, sich offensichtlich widersprechende Ziele der Stadtteilentwicklung zu geben. Einerseits fördert die Politik eine Aufwertung des Stadtteils, das heißt die Sanierung noch vorhandener un- oder teilsanierter Wohnungen und die damit einhergehende Ansiedlung von Kreativgewerbe und finanziell entsprechend aufgestellter Mieter. Dagegen ist nichts einzuwenden, von ideologischer Kritik an „Stadtteilaufwertung“ abgesehen. Mit der Ansiedlung solchen Klientels steigen aber auch die Ansprüche. Somit ist es schwer zu vermitteln, warum eine Konzentration von Clubs, Bars und Hostels im selben Bezirk politisch ebenfalls gewünscht ist. Einem Mieter im Hochpreissegment ist schwer zu kommunizieren, warum er „woanders hinziehen“ soll, wenn er der Ansicht ist, unter der Woche gegen zwei Uhr morgens nicht mit einer Horde betrunkener Touristen leben zu müssen – unabhängig davon, dass formaljuristisch die Nachtruheregeln auch in einer Sozialwohnung gelten würden. Zumindest die Sorte von Touristen, um die in Kreuzberg 36 derzeit aktiv geworben wird, sorgen eher für eine Abwertung des Kiezes. Das Risiko, dass Touristen, die zum Feiern nach Berlin kommen, weil Berlin günstiger ist als, sagen wir, London, zur Preissteigerung, somit Gentrifizierung, beitragen, ist relativ gering. Dies führt zum zweiten Problem: Nicht die Touristen, sondern ihre Art sind das Problem. Berlin zieht derzeit fast ausschließlich den so genannten „Easy-Jet-Set“, einfacher ausgedrückt Sauftouristen an, junge Menschen, die sich zwei-drei-vier Tage am Stück volllaufen lassen, Berlins legendäre Club- und Kneipenszene kennenlernen wollen. Frei nach Stoiber gibt es nicht nur Touristen, sondern auch Schad- und Problemtouristen. Diese stellen die überwiegende Mehrheit der derzeitigen Kreuzbergbesucher. Dies hat eine Abwertung des Kiezes zur Folge, die den Zielen der Wohnungs- und Wirtschaftsansiedlungspolitik zuwider läuft und dem Anwohner, gentrifiziert oder nicht, schwer zu vermitteln ist.

Philipp von dem Knesebeck,

Berlin-Kreuzberg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false