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Meinung: Deutschland und Polen: Lichter Rückblick, düstere Zukunft

Schwere Vergangenheit, lichte Zukunft: Das war die Hoffnung, als Deutschland und Polen vor zehn Jahren den Nachbarschaftsvertrag unterschrieben. Es war ihr Schlussstrich unter den Kalten Krieg.

Schwere Vergangenheit, lichte Zukunft: Das war die Hoffnung, als Deutschland und Polen vor zehn Jahren den Nachbarschaftsvertrag unterschrieben. Es war ihr Schlussstrich unter den Kalten Krieg. Nun ging es um die gemeinsame Zukunft. Mit einem Jugendwerk nach dem deutsch-französischen Vorbild, mit gemeinsamen Grenz- und Umweltkommissionen, regelmäßigen Regierungskonsultationen, Euroregionen und der Selbstverpflichtung Deutschlands, Polens Integration in die EU zu unterstützen. Einige Fragen wurden bewusst offen gehalten: die Entschädigungen für nach dem Krieg aus Polen vertriebene Deutsche, die Problematik der doppelten Staatsbürgerschaft für Schlesier. Die Zwangsarbeiterentschädigungen mussten außerhalb des Vertrages geregelt werden, weil die Regierung Kohl das Problem leugnete.

Der Vertrag war darauf ausgerichtet, Probleme der Vergangenheit zu lösen. Der ungelöste Teil kehrt ein ums andere Mal auf die Agenda zurück - nun allerdings meist im Zusammenhang mit Polens EU-Beitritt. Warschaus Wunsch nach 18 Jahren Übergangsfrist beim Immobilienkauf durch EU-Bürger ist eine Folge der Furcht vor Vertriebenen, die 56 Jahre nach Kriegsende Anspruch auf ihre ehemaligen Ländereien erheben - wobei ihnen die Bundesregierung nicht widerspricht.

Polen fürchtet zudem, bei den EU-Beitrittsverhandlungen so viele Zugeständnisse machen zu müssen, dass am Ende eine "Mitgliedschaft zweiter Klasse" herauskommt. Regierung und Öffentlichkeit sehen sich vor dem Dilemma, entweder später als andere oder zu schlechteren Bedingungen beizutreten - das Ergebnis einer verfehlten Verhandlungsstrategie, die davon ausging, Polens Position in einer erweiterten EU hänge nicht von der Stärke seiner Wirtschaft und der Flexibilität seiner Eliten, sondern nur von einer möglichst harten Haltung bei den Beitrittsverhandlungen ab. Der Wahlkampf in Polen ist ein schlechter Zeitpunkt, um die Strategie zu korrigieren.

Auch Schröder möchte die heiklen Verhandlungskapitel, die viel kosten, aus seinem Wahlkampf heraushalten, um das unhaltbare Motto von 1998 "kein Groschen mehr" für Brüssel bis zum Wahltermin durchhalten zu können. Missverständnisse sind da unvermeidlich. War es nun "perfide" - wie polnische Medien schreiben -, dass Schröder in Göteborg gegen die Nennung eines Beitrittsdatums war? Oder wird mit dem Datum 2004 - da Polen bei den Verhandlungen zurückfällt - eine von Schweden bevorzugte "kleine Erweiterung" nur um die baltischen Staaten, Ungarn und Slowenien wahrscheinlicher? Da scheint es plötzlich, als seien die jüngsten zehn Jahre eine lichte Vergangenheit - und die nahe Zukunft im Vergleich dazu düster.

Die deutsch-polnische Vergangenheit wurde vor zehn Jahren nicht bereinigt, sie wurde teilweise aufgearbeitet. Sie belastet das bilaterale Verhältnis nur noch wenig, dafür immer häufiger den EU-Erweiterungsprozess, je weiter er voranschreitet. Viele der Probleme sind psychologisch bedingt und nur europäisch lösbar - und nicht von den Regierungen allein.

Klaus Bachmann

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