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Meinung: Die eitlen Königskinder

Wie Lafontaine und Schröder die SPD zu zerstören drohen Von Björn Engholm

Ein Nachbar, der zuvor Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine am Bildschirm genossen hatte, sprach kürzlich, leicht seufzend und eher traurig als ironisch, von den „zwei Königskindern“, die zueinander nicht finden konnten. Das schien mir, den nicht immer königlichen Habitus beider erinnernd, reichlich weit hergeholt. Dennoch ist die rührende Geschichte von den beiden Adelssprösslingen so ganz abwegig nicht, sieht man davon ab, dass sie (ausgenommen jene Zeiten, da der eine dem anderen noch nicht in die Quere kam), einander kaum je lieb hatten.

Beide waren mit Brandts Segen demokratischer Thronwürden für fähig befunden; beide fühlten sich be und wurden von ihrer Partei gerufen; beider Fähigkeiten schienen sich optimal zu ergänzen. Der eine, Gerhard Schröder, ein immer schon begnadeter politischer Taktiker, unübertroffen im Umgang mit Macht und Medien, der andere, Lafontaine, ein scharfer Analytiker und Zielmarkierer mit explosiver Rhetorik: ein Team, dem die Sozialdemokratie lange zujubelte und das sie auf Schultern trug. Zusammen, die Verantwortungsethik des einen mit der Gesinnungsethik des anderen verbunden, wären sie ein fast unschlagbares Team.

Dass sie gleichwohl zueinander nicht finden konnten, lag weniger an der Tiefe des Wassers als der Schwimmunwilligkeit der beiden Principe. Und darin liegt, weit mehr als in Schröders schwerem Weg zum 18. September oder Lafontaines Aufstieg zum Poppropheten der Altlinken, eine gehörige Portion – nicht nur sozialdemokratischer – Tragik.

Brandt und Schmidt und Wehner waren sich, wie man erinnert, persönlich selten grün. Dennoch schrieben sie sozialdemokratische und bundesrepublikanische Erfolgsgeschichte, weil sie sich zurücknehmen, ihre Neigungen, Abneigungen und Eitelkeiten zu reduzieren vermochten, weil ihnen die sozialdemokratische Idee und das Interesse der Polis wichtiger war als sie selbst. Diese Selbstdomestizierung ist auch Gerhard Schröder in früheren Jahren nicht immer leicht gefallen; Oskar Lafontaine war und ist sie regelrecht fremd. Dass es ihn drängte, Finanzminister und damit graue Kabinettseminenz zu werden, statt als Parteivorsitzender langfristig Weichen zu stellen, dass er das Weite suchte statt die offene Auseinandersetzung mit Schröder, dass er am Ende die Linke außerhalb statt innerhalb der SPD stärkt und für eine Partei kandidiert, die ihm nie und nimmer politische Heimat werden wird, wie es die Sozialdemokratie war: man könnte heulen vor Wut, besser wohl, vor Trauer. Was bevorsteht, wird allen, außer dem konservativen Lager, schaden. Dem Kanzler, der für eine Wiederwahl unglaubliche Fortune benötigt; Lafontaine, der reüssieren mag, aber die Welt, die böse, keinen Deut verändern wird; der SPD, die mit der linken Konkurrenz ihre strukturelle Mehrheitsfähigkeit zu verlieren droht. Vielleicht gar der Republik, die erleben könnte, dass der rechte Rand, vom Erfolg des linken beflügelt, neuen Auftrieb erhält.

Wie immer das Rennen am 18. September ausgeht, ob der für Überraschungen gute Kanzler im Rennen bleibt, ob Lafontaine die harte Oppositionsbank einnimmt und im Markt der parlamentarischen Eitelkeiten bestehen kann: Die Sozialdemokratie, als Idee und Partei ein Vierteljahrhundert lang Wegbereiter gesellschaftlichen Fortschritts und im politischen Spektrum Deutschlands ohne Alternative, darf keinen bleibenden Schaden nehmen. Das qualifizierte Überleben der Volkspartei SPD mit ihrer historischen Idee von Freiheit und Gerechtigkeit, von Sozialität und Innovation, ist wichtiger als alles. Dafür zu kämpfen (arbeiten tut’s auch) lohnt. Allemal.

Der Autor war von 1991 bis 1993 SPD-Vorsitzender.

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