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Meinung: Die Fremde

Susanne Osthoffs Liebe gehört nicht diesem Land

Susanne Osthoffs Liebe gehört nicht diesem Land

Der Fall Susanne Osthoff hat wie ein Blitz für einen kurzen Augenblick den Zustand der Nation beleuchtet. Viele haben es bemerkt – die Anteilnahme der Deutschen an ihrem Schicksal hielt sich in Grenzen. Während die Römer für Frau Sgrena die Straßen blockierten, fanden sich am Brandenburger Tor mehr Medien als Menschen ein. Daraus kann man verschiedene Schlüsse ziehen: Entweder die Deutschen empfinden sich weniger als Briten, Franzosen und Italiener als Schicksalsgemeinschaft, die das Schicksal eines jeden mitträgt, oder das Gefühl war vorherrschend, dass Susanne Osthoff als Muslima und Fremde in ihrer süddeutschen Heimat nicht wirklich eine von uns war.

Nun ist es ein christliches und wohl auch ein mitmenschliches Gebot, das Leiden eines anderen als eigenes zu empfinden. Doch der christliche Glaubensfaden ist dünn geworden und die Menschheitsliebe aus der zum Jahreswechsel besonders präsenten Ode an die Freude war immer nur ein idealistisches Projekt weniger. Seit der missglückte Turmbau zu Babel aus der Menschheit Völker und Nationen gemacht hat, ist dieses Band enger, umschlingt die Dazugehörenden fester als christliche Nächstenliebe und multikulturelle Erlösungshoffnung.

In Deutschland hat dieses nationale Band seit dem Missbrauch durch die Nazis außer im Fußball den Ruf des Inkorrekten, des zu Überwindenden. Das sehen die meisten Völker mit weniger Selbsthass auf die eigene Geschichte anders und zwar auch dann, wenn wie im Fall Sgrena die vom nationalen Band umschlungene in Opposition zu den im Lande Herrschenden steht. Eine italienische Kommunistin ist eben zuerst Italienerin und dann Kommunistin. In Deutschland ist die Auflösung des nationalen Gefühls so weit fortgeschritten, dass zuerst nach den menschlichen und politischen Inhalten und erst danach nach der Zugehörigkeit zum eigenen Volk gefragt wird. Und da ist Susanne Osthoffs Leben eben besonders angreifbar. Denn mit Deutschland verbinden sie nur Formalien, ihre Liebe gehört dem Irak, ihre Seele einem anderen Gott als dem hierzulande mehrheitlich angebeteten. Susanne Osthoff ist Deutsche nur noch dem Namen nach, sie hat sich längst aus der Welt ihrer Herkunft wie ihrer Kindheit verabschiedet.

Nun ist es multikulturell korrekt und ganz im Sinne des Schillerschen „diesen Kuss der ganzen Welt“, wenn ihr Engagement in einer anderen Weltgegend in den Schutzbereich des deutschen Staates aufgenommen wird. Allerdings ist damit nicht die Frage beantwortet, wer oder was Vorrang hat, wenn die Interessen in Konflikt geraten, wenn Leidenschaft zum Egotrip zu Lasten deutscher Staatsräson und auf Kosten deutscher Steuerzahler wird. Es ist wohl kein Zufall, dass das Auswärtige Amt gerade jetzt alle Deutschen zum Verlassen des Irak aufgefordert hat.

Wir leben noch immer in einer Welt der Nationalstaaten, wo das Interesse der hier – im doppelten Sinne – Zurückgebliebenen Vorrang vor der individuellen Selbstverwirklichung irgendwo auf der Welt haben muss. Das wird zwar selten ausgesprochen, ist aber das Bauchgefühl der großen Mehrheit in diesem Lande. Vielleicht hatte das mangelnde öffentliche Engagement auch damit zu tun, dass viele Menschen das Gefühl hatten, diese junge Frau habe über die sich daraus ergebende Problematik ihres Tuns nicht wirklich nachgedacht. Man kann trotz der viel beschworenen Globalisierung auch im 21. Jahrhundert nicht folgenlos zugleich innerhalb und außerhalb einer Nation leben, was in diesen Tagen – auf ganz andere Weise – auch der Schweizer Josef Ackermann erfahren musste.

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