zum Hauptinhalt

Meinung: Die nächste Drehung

Die zaudernde EU schadet der Konjunktur – notfalls muss sich die Euro-Zone emanzipieren.

W enn einem das eigene Spiegelbild missfällt, kann man natürlich den Spiegel kurz und klein schlagen. Besser sieht man deswegen nicht aus. Die Ratingagenturen halten Europa in diesen Tagen einen Spiegel vor, und das Erschrecken führt zu einer Grundsatzdebatte über deren Geschäftsmodell. Dabei würde eine staatliche Agentur, ob nun bei der Bundesbank angesiedelt oder wie die Stiftung Warentest organisiert, nicht anders urteilen können.

Die Zweifel von Standard & Poor’s und den anderen an Europa sind schließlich berechtigt. Es werden nicht große Schuldentöpfe, komplizierte Finanzinstrumente, neue Sanktionsmechanismen oder niedrigere Zinsen sein, die aus der Krise führen, sondern es fehlt an einem glaubwürdigen, starken Signal politischer Geschlossenheit.

Von Attacken und Drohungen ist viel zu lesen, aber die Worte treffen den Sachverhalt nicht. Ratingagenturen und Investoren drohen nicht, sondern überlegen, wo in der Welt Geld am besten aufgehoben ist. Die EU zeigt schon seit vielen Monaten überdeutlich, dass ihre politischen Institutionen der Finanzkrise nicht gewachsen sind. Da ist es nachvollziehbar, die Bonität der Euro-Länder, des gemeinsamen Rettungsfonds und der großen Banken neu zu bewerten.

Eigentlich stünde die Wirtschaft in Europa insgesamt und vor allem in Deutschland gut da. Aber die politische Unsicherheit führt in die Stagnation und möglicherweise sogar in eine neue Rezession. Eine Krise dieses riesigen Markts würde sich auf der ganzen Welt bemerkbar machen, in den USA ebenso wie in China. Man mag hoffen und beten, dass die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Gipfeltreffen den Ernst der Lage erkennen. „Die ganze Welt schaut auf uns“, mahnte Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Nur: Es reicht nicht, wenn irgendwann am Wochenende Angela Merkel und Nicolas Sarkozy erleichtert eine Einigung verkünden, die am Montag die Aktienkurse für einen Moment steigen lässt und schon am Dienstag Zweifel weckt. Und falls dann später Italien oder die erste französische Großbank pleitegeht, fängt alles wieder von vorne an. Wer sich dem Markt nicht ausliefern will, muss dessen begründete Zweifel am europäischen Zusammenhalt ausräumen.

Gemeinsame Institutionen – eine starke Kommission, ein Finanzminister, ein von allen EU-Bürgern direkt gewählter Präsident – könnten für Vertrauen sorgen, aber solche Ideen sind nicht mehrheitsfähig. Wenn es aber mit den Vereinigten Staaten von Europa nichts wird, muss sich eben die Euro-Zone emanzipieren und politische Statur zeigen. Gute Ratings werden dann nicht mehr infrage stehen.

„Spieglein, Spieglein an der Wand“: Die Königin, die nicht akzeptieren konnte, dass Schneewittchen besser aussieht, stirbt übrigens am Ende des Märchens. In glühenden Eisenschuhen muss sie tanzen, bis sie zusammenbricht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false