zum Hauptinhalt

Meinung: Die Rentner sind sicher

Wer schon im Ruhestand ist, braucht sich nicht zu sorgen. Wer ihn bald erreicht, auch nicht. Aber die Enkel müssen dafür bezahlen

Von Christoph von Marschall

Die zwei Worte gehören zusammen wie der weiße Schimmel und der schwarze Rabe: arme Rentner. Die Alten haben das Land wieder aufgebaut nach dem Krieg, sie dürfen nicht von der Einkommensentwicklung abgekoppelt werden, heißt es empört, wenn die Rentenanpassung mal für ein Jahr ausbleibt. Auch das Schlagwort von der Altersarmut fehlt selten – ob im Bundestag oder im privaten Gespräch.

Die Senioren selbst haben ein anderes Bild. 91 Prozent beurteilten ihre finanzielle Lage Ende 2000 zwischen „sehr gut“ und „zufriedenstellend“. Die Statistik bestätigt das. Das durchschnittliche Vermögen von Rentnerhaushalten liegt mit 130 000 Euro in der Mitte zwischen aktiven Beamten- und Arbeiterhaushalten. Die Altersgruppe über 60 stellt ein Drittel der Bevölkerung, aber nur ein Zehntel der Sozialhilfeempfänger. Die Hälfte wohnt in der eigenen Immobilie, im Osten allerdings noch deutlich weniger. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) resümierte seinen Bericht zur Lage der Senioren in West- und Ostdeutschland 1999, die Lage der Senioren-Haushalte sei „günstig“. Es gebe zwar noch arme Senioren, „doch verliert ihre Zahl an Bedeutung“.

Das wird sich ändern. Heute kommen zwei Beitragszahler auf einen Rentner, 2030 wird es nur noch einer sein. Die Rentenbeiträge lassen sich nicht beliebig über die heutigen19,1 Prozent erhöhen, also werden die Renten drastisch sinken – müssen. Gerecht wäre es, diese Last zwischen den Generationen zu teilen, denn es liegt ja in erster Linie an den Senioren von heute und morgen, dass vor 20, 30 Jahren zu wenig Kinder geboren wurden: als Beitragszahler der Zukunft. Gerecht wäre es, die Renten schon heute erheblich zu kürzen; und die Beitragszahler so stark zu entlasten, dass sie eine private Altersvorsorge aufbauen können, die den künftigen Verlust ausgleicht.

Das geschieht bereits? Durch Norbert Blüms „demographischen Faktor“? Und die Riester-Rente? Unsinn. Die letzten Reformen, ob schwarz-gelb, ob rot-grün, haben den Anstieg der ausgezahlten Summen ein bisschen gebremst. Die Riester-Rente ist ein finanzielles Trostpflaster, sie kann den absehbaren Rentenschwund nicht ausgleichen. Kein Politiker will es sich mit der wachsenden Gruppe der Senioren verscherzen – und deren Enkel werden ihr Unglück erst in dreißig Jahren in vollem Ausmaß erkennen.

Rentner verlangen Verteilungsgerechtigkeit: Sie haben für ihre Eltern- und Großeltern-Generation gezahlt, also jetzt Anspruch auf die gleiche Leistung plus Wohlstandszulage. Doch die gesetzliche Rente nach dem Generationenvertrag ist keine Versicherung, in der jede(r) am Ende mindestens das herausbekommt (plus Zinsen), was er/sie eingezahlt hat. Sondern eine Umverteilung von den Beitragszahlern an die Rentner. Da sich deren Verhältnis schon seit langem durch die Verringerung der Beitragszahler verändert, müsste das an die Rentner verteilte Volumen seit Jahren sinken. Tut es aber nicht. Gemessen an den eingezahlten Beiträgen bekommen Rentner heute deutlich mehr heraus als 1980 – auch, weil sie länger leben. Es erscheint den Senioren nur so, als trügen sie die Last der Reform mit, weil mal eine Erhöhung ausfällt oder eine Bemessungsgrundlage sich um ein Prozentsätzchen verschiebt.

Es fehlt an Generationengerechtigkeit. Je später das System geändert wird, je homöopathischer die Korrekturen ausfallen, umso besser für die Rentner von heute. Und umso schlimmer für ihre Kinder und Enkel, die den Preis bezahlen müssen, wenn sie einmal Rentner sind – und die Kassen leer. Die beschlossenen Kürzungen betreffen erst diejenigen, die von 2011 an in Rente gehen; voll trifft es die, die sich 2030 zur Ruhe setzen. Die heutigen Senioren und die rentennahen Jahrgänge werden verschont.

Von wegen arme Rentner. Arme Enkel!

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false