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Die wahren Finnen: Fremdeln mit Europa

Deutschland und Finnland liegen politisch ziemlich nah beieinander. Es ist noch nicht sicher, ob Bundestag und Bundesrat den Regeln des Euro-Rettungsschirmes zustimmen. Vielleicht erfindet sich auch die FDP neu und bietet den wahren Deutschen – ganz unpopulistisch – eine politische Heimat.

Die Geografie kann täuschen. Auf der Luftlinie trennen Berlin und Helsinki 1105 Kilometer, mit dem Auto muss man, über Brücken und Fähren, 1567 Kilometer zurücklegen, um von der deutschen in die finnische Hauptstadt zu gelangen. Doch politisch liegen beide Länder ziemlich nah beieinander, aus Sicht der Bundesregierung vermutlich beunruhigend nahe.

Wenn sich bei uns der Groll über den vermeintlichen Moloch Europa und die Stützungsaktionen für unseriös wirtschaftende Euro-Länder parteipolitisch Bahn brechen könnte, dann wären die Wahlergebnisse vermutlich genauso alarmierend wie in Finnland, wo die „Wahren Finnen“ gerade mit knapp 19 Prozent drittstärkste Kraft wurden. Diese Partei will aus dem Euro aussteigen und bei der Entfaltung des Euro-Rettungsschirms für Portugal erst gar nicht mitwirken. Parteien, die die zunehmende Entmachtung der nationalen Parlamente und die Delegation der wichtigsten Entscheidungen nach Brüssel bekämpfen, gewinnen in vielen europäische Ländern wachsende Bedeutung. Wer sie allesamt als rechtspopulistisch einstuft, weil einige von ihnen auch ausländer- und schwulenfeindlich sind, macht es sich zu einfach, denn er diskreditiert das Unbehagen über die schwindende Gestaltungsteilhabe an der eigenen Politik als undemokratisch – das Gegenteil davon ist wahr.

Bei der Wiedervereinigung waren Deutschland-West und Deutschland-Ost 1990 auf das Wohlwollen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs angewiesen. Die finanziellen Lasten der Verschmelzung von Bundesrepublik und DDR haben die Deutschen indes allein geschultert. Dass der Osten noch heute von Fördermaßnahmen der EU profitiert, macht diese Aussage nicht falsch. Die weltweiten Erschütterungen der Lehman-Pleite nach 2008 haben sich auch negativ auf die öffentlichen Finanzen der Bundesrepublik ausgewirkt. Dass das Land dennoch relativ unbeschadet durch die größte Weltwirtschaftskrise seit 1929 kam, ist jedoch in erster Linie einer weitsichtigen Steuerungspolitik der großen Koalition unter Angela Merkel und Peer Steinbrück sowie einem Konsens der nationalen Tarifpartner zu verdanken.

Gegen die Folgen einer über Portugal hinausreichenden Euro-Krise würde uns hingegen keine noch so kluge Bundesregierung schützen können. Staaten wie Griechenland und Portugal, ebenso Irland und Spanien, haben sich ja bis zur Einführung des Euro durchaus um eine stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik bemüht. Unsolide wurde ihr ökonomisches Verhalten erst, als sie meinten, unter dem großen europäischen Euro-Mantel vor den Folgen geschützt zu sein. Während sich Deutschland zum Beispiel die starke Position auf den Weltmärkten nicht nur durch exzellente Produkte, sondern auch durch eine zurückhaltende Lohnpolitik eroberte, reduzierte Irland seine Unternehmenssteuern, weiteten die Südeuropäer ihre Verschuldung aus, trieben die Löhne in die Höhe und senkten das Pensionsalter. Das Fatale für solide wirtschaftende Länder: Sie hatten keinen Einfluss auf die Defizitsünder, sollen aber für die mit Buße tun.

Längst ist ja noch nicht sicher, ob Bundestag und Bundesrat den Regeln des Euro-Rettungsschirmes zustimmen und ob das Bundesverfassungsgericht nicht unter Hinweis auf das Budgetrecht des Parlamentes die Notbremse zieht. Vielleicht erfindet sich auch eine derzeit orientierungslose Partei wie die FDP neu und bietet den wahren Deutschen – ganz unpopulistisch – eine politische Heimat.

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