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Meinung: Edmund Stoiber: Ein Bettlerkönig aus Bayern

Es ist ein altes Lied und passt doch bestens zur neuen Lage. "Ja mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht, und mach dann noch nen zweiten Plan - gehn tun sie beide nicht!

Von Robert Birnbaum

Es ist ein altes Lied und passt doch bestens zur neuen Lage. "Ja mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht, und mach dann noch nen zweiten Plan - gehn tun sie beide nicht!" Bertolt Brechts Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens hat das Zeug, zur neuen Hymne der Unionsparteien zu avancieren. Vor Monaten bereits hat sich die CDU-Chefin Angela Merkel einen Plan gemacht. Es war ein Plan, wie sie eine Kette von Erfolgen aneinander reihen könnte. Und an deren Ende sollte, als Krönung sozusagen, ihre Kanzlerkandidatur stehen.

Ihr Partner und Rivale an der Spitze der CSU, Edmund Stoiber, hatte sich auch einen Plan zurechtgelegt. Er zielte darauf ab, die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur möglichst lange offen zu halten, um - je nach der entstandenen innenpolitischen Gesamtlage - entweder selbst in ein aussichtsreiches Rennen gegen Gerhard Schröder zu gehen oder der Parteischwester Merkel den Vortritt bei der absehbaren Niederlage zu lassen.

Schöne Pläne. Gehn tun sie beide nicht. Sie gingen schon vor dem 11. September nicht auf, seither noch weniger. Die Ausgangslage hat sich für Merkel wie für Stoiber nicht verbessert, sondern stetig verschlechtert. Merkel ist ihrer Partei nicht Herr geworden, und allzu viele akzeptieren sie nicht als Herrin. Das wäre nicht gar so schlimm, wenn es sich nur um Kabbeleien im Raumschiff Berlin handeln würde.

Angela Merkel hat aber auch für die Leute da draußen bisher keine Formel gefunden, mit der sie Kanzler Schröder plausibel die Macht streitig machen könnte. Seit dem 11. September ist die Chance, diese Formel noch rechtzeitig zu finden, stark gesunken. Diese Krise ist die Stunde des Regierenden, und Schröder nutzt sie.

Aus dem nämlichen Grund ist für Edmund Stoiber die Lage ebenfalls sehr viel schlechter geworden. Der CSU-Chef rechnet sich schon seit längerem kaum Chancen aus, Schröder zu schlagen. Nicht mit dieser CDU, nicht gegen diesen Kanzler, im Moment also erst recht nicht.

Aber Stoiber steckt im Dilemma. Er hat von Tag zu Tag weniger Lust auf ein von Tag zu Tag aussichtsloseres Rennen. Je düsterer indes die Lage, desto lauter erschallt der Ruf nach dem vermeintlich starken Mann. Ginge es nur nach ihm, würde Stoiber der CDU-Chefin den Kandidatenjob wohl eher heute als morgen antragen.

Aber es geht nicht. Weil es kein Verzicht eines Starken zugunsten einer anderen Starken wäre. Stoiber weiß nur zu gut, wer alles in der CSU sofort "Feigling" rufen würde.

Wie es weitergeht? Das wird man dieser Tage beim CSU-Parteitag in Nürnberg besichtigen können: Zähne zusammenbeißen, auf bessere Zeiten hoffen. Merkel wird von der CSU höflich gefeiert werden, Stoiber wird weiter Kreide fressen und nett zur Parteischwester sein.

Nach dem absehbaren CDU-Desaster bei der Berlin-Wahl wird der Ruf nach dem Bayern lauter werden. In der CDU wird das Unbehagen wachsen. Findet sich in Merkels Partei ein Wichtiger, der eine Revolte anführt - aber wer sollte das sein? -, könnte Stoiber gezwungen sein, anzutreten. Die Union bekommt einen Kanzlerkandidaten wider dessen Willen - oder eine Kandidatin mit dem Etikett "verlegenheitshalber". So oder so passt Brechts Ballade. Sie stammt aus der "Dreigroschenoper". Es singt sie dort - der Bettlerkönig.

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