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Meinung: Ein bisschen ist schon das Ganze

„Schutzbestohlene“ v. 25.

„Schutzbestohlene“ v. 25. August und

„Der Körper des Kindes“ v. 19. September

Zwei gute und wichtige Artikel, die deutlich die Verlogenheit aufzeigen, die in dem Vorwurf der Pädophilie-Freundlichkeit gegenüber den Grünen steckt. In den 80er Jahren waren die Grünen für mich nicht wählbar, weil sie aktiv die

Legalisierung der Pädophilie forderten. Passiv jedoch haben alle Gesellschaftsschichten stets sexuellen Missbrauch

akzeptiert und toleriert. Deutschland ist ein Land, in dem 14-Jährige nicht wählen dürfen, kein Bier trinken und keine Zigarette rauchen, aber für Geschlechtsverkehr mit Erwachsenen jeglichen Alters zur Verfügung stehen, solange dies nur „einvernehmlich“ geschieht. Keine der großen Parteien hat dies jemals kritisiert oder zu ändern versucht. Bei den großen Missbrauchsskandalen der vergangenen Jahre haben sich alle Parteien öffentlich echauffiert. Die damals angestoßene Verschärfung der Missbrauchs-

Gesetzgebung hing dann jedoch jahrelang in den Bundestagsausschüssen fest, ehe die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit vor Wochen eine verwässerte Version verabschiedete.

Alles, was im letzten Vierteljahrhundert an Hilfeangeboten für Missbrauchsopfer dagegen tatsächlich geschaffen wurde, geht auf Anstrengungen aus den nun kritisierten alternativen Gesellschaftsschichten zurück. In dieser Debatte zeigt sich deutlich, dass, wenn die deutsche Gesellschaft mit einem Finger auf die Grünen zeigt, vier Finger auf sie selbst zurückweisen.

Jan Siefkes, Berlin-Reinickendorf

Caroline Fetscher schreibt: „Erst wenn die Bereitschaft wächst, Kinderrechte jenseits ideologischer Fraktionen zu achten, steht endlich das Kindeswohl im Mittelpunkt.“ Wie weit wir davon noch entfernt sind, war u. a. am Beschluss des Bundestages, der von allen dort vertretenen Parteien getragen wurde, abzulesen, das Verstümmeln von Kleinstkindern, also das Beschneiden von Jungen aus religiösen Gründen, straffrei zu lassen.

Im Blick darauf wirken die jetzigen Entschuldigungsäußerungen von Jürgen Trittin wohlfeil.

Und die Gründe für das Werfen oder Zurückhalten erster Steine aus den

wurfbereiten Reihen der anderen,

haben den Geruch des opportunistisch Kalkulierten.

Es geht hier offensichtlich nicht um den Schutz von Kindern vor Gewalt in „höherem Auftrag“, sondern um die Wahrung oder Steigerung von Wahlchancen. Eine Entschuldigung mit gleichzeitigem Anstoß zu einer fälligen, breit angelegten Debatte über die Situation von Kindern in unserer Gesellschaft würde den damaligen „Fehler“ (was für eine begriffliche Verniedlichung!) zur Grundlage einer Chance machen.

Zum Schluss noch: Jede Ausnahme vom Verbot der Kindesmisshandlung höhlt das Ganze aus. Das ist wie bei der Folter. Ein bisschen ist schon das Ganze. Oder anders: Solange aus ideologischen Gründen ein wenig an Kinderkörpern

herumgeschnippelt werden darf, so lange bleibt Kindesmisshandlung eine Definitionsfrage, also relativ.

Günter Jankowiak, Berlin-Zehlendorf

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