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Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin. Sie war unter anderem Chefredakteurin von "impulse".

© Mike Wolff

Ein Zwischenruf zum Zucker: Gummibärchen sind wenigstens ehrlich

Es hilft nichts: Wenn sich Kinder gesünder ernähren sollen, muss man es ihnen beibringen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Renate Künast regt ein Werbeverbot für Süßigkeiten an. Sie meint: Wenn Kinder nicht mehr für Snickers, Fanta und Tic-Tac agitiert werden, leben sie gesünder, werden nicht mehr dick und können sich in der Schule besser konzentrieren. Frau Künast hat recht, wenn sie sich Sorgen um übergewichtige Kinder macht. Und doch liegt sie gründlich daneben. Denn ein Süßigkeitenwerbeverbot wird Deutschlands Kindern nicht helfen. Es macht sie nicht dünner, es macht sie dümmer.

Zucker und Fett sind Geschmacksträger, sie machen das Essen leckerer

Kinder trinken lieber Cola als stilles Mineralwasser (zimmerwarm). Sie essen lieber Cup Cakes als salzarme Reiskekse. Wenn sie wählen dürfen, nehmen sie eher ein Center- Shock-Kaubonbon als ein Stück Staudensellerie. Dass Mineralwasser und frisches Gemüse dennoch besser für sie sind, müssen sie lernen. Eltern und Lehrer sollen es ihnen beibringen. Sie müssen die Vorbilder sein. Lebensstile und Ernährungsgewohnheiten werden zu Hause, vielleicht auch in der Schule gebildet – und nicht beim Anschauen eines Werbespots. Dazu kommt: Gummibärchen sind wenigstens ehrlich. Sie geben nicht vor, etwas anderes zu sein als süß und zuckrig. Auch bei Schokoriegeln, Waffeln und Eis erkennt man auf den ersten Blick, dass sie viel Zucker enthalten. Das wissen selbst Kinder. Sie können darauf verzichten. Anders ist es bei Fertiggerichten, Tiefkühlflammkuchen oder Ketchup-Spezialitäten. Auch sie enthalten massenweise Zucker und Fett, ohne dass Kinder es wahrnehmen können. Zucker und Fett sind Geschmacksträger, sie machen das Essen leckerer und runder. Deshalb sind sie bei Fertiggerichtherstellern besonders beliebt. Wenn man zu Hause selbst kocht, kommt man wahrscheinlich kaum auf die Idee, eine Lasagne mit einem ordentlichen Löffel Zucker zuzubereiten. Wenn man das Nudelgericht aber fertig kauft, ist das eher die Regel als die Ausnahme. Wer ernsthaft ein Werbeverbot für Süßigkeiten diskutieren will, müsste es auf nahezu alle Fertigprodukte, Tütensuppen und Imbiss-Ketten ausdehnen. Das ist bizarr.

Es hilft nichts: Wenn sich Kinder gesünder ernähren sollen, muss man es ihnen beibringen. Eltern müssen zu Hause selber kochen, anstatt ständig überzuckerte und überfettete Packungen warm zu machen. Schulkantinen müssen gutes Essen anbieten, damit die Schüler nicht gleich hinterher zum Hausmeister-Kiosk laufen. Verhaltensänderungen erreicht man nicht, indem man ein paar Spots verbietet. Man erreicht sie nur, wenn man sich selber die Mühe macht.

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