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Meinung: Eine Farce um zehn Euro

Die Kassen belohnen den Gang zum Hausarzt – viel zu spät

Von Antje Sirleschtov

Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein Werbetrick: Wer bei der Berliner AOK oder der Barmer-Ersatzkasse seine Krankenversicherung abschließt, kann in Zukunft bares Geld sparen: Die Praxisgebühr wird erlassen. 40 Euro im Jahr, kündigen die beiden Kassen jetzt an, winken all jenen, die Mitglieder werden und in Zukunft bei Ohrenschmerzen erst mal zum Hausarzt gehen und sich von dort zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt überweisen lassen. Und die Bundesregierung jubeliert auch noch: Gut und richtig sei diese Initiative der Kassen, lobt das Ministerium von Ulla Schmidt. Die Ministerin habe ja schon immer gesagt, dass die 40-Euro-Praxisgebühr ein wichtiger Teil der Reform des deutschen Gesundheitssystems sei. Alle anderen gesetzlichen Versicherungen sollten sich ein Beispiel nehmen.

Die Gesundheitsreform der Bundesregierung – ein voller Erfolg? Wohl kaum. Das, was Barmer, Berliner AOK und einige andere Kassen jetzt ankündigen, sollte bei Lichte besehen eine pure Selbstverständlichkeit sein. Im Interesse ihrer Kunden hätten die Krankenkassen schon vor Jahren überprüfen können, ob es tatsächlich sinnvoller, sprich effektiver, ist, wenn die Patienten nicht wegen jedem Schnupfen zum Facharzt gehen, sondern lieber vorher ihren Hausarzt konsultieren. Wäre das so, dann fragt man sich, warum die Kassen ihren Kunden diesen Weg nicht schon vor langer Zeit angeboten haben. Oder die Aufsichtsgremien der Kassen beim Bund und den Ländern es von ihnen abforderten – im Interesse der Beitragszahler und des gesamten Systems.

Stattdessen versetzen die Kassen im Verbund mit der Gesundheitsministerin und der Union die Menschen nun schon seit Monaten in Ratlosigkeit, Unsicherheit und blanke Furcht. Wer seine zehn Euro beim Arztbesuch nicht bezahlen wollte, wurde öffentlich gegeißelt, uneinsichtige Ärzte sogar mit Strafe bedroht. Und das alles für eine blanke Selbstverständlichkeit? Leider ist es so. Weil das Gesundheitssystem aus sich selbst heraus nicht in der Lage ist, mit dem Geld der Versicherten rationell umzugehen, und weil die Regierung nicht in der Lage war, diese Selbstverständlichkeit durchzusetzen, mussten die Versicherten als Zahlmann herhalten. Zu wachsendem Vertrauen trägt das nicht bei. Weder in die Kassen noch in die Gesundheitsreform der Regierung.

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