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Meinung: Eine Flut von Erkenntnissen

Das Expertenwissen sollte in einer nationalen Hochwasserzentrale gebündelt werden

Von Thomas de Padova

Die Hochwasserschäden erreichen neue Rekordmarken. Sie sind vor allem so immens gestiegen, weil zu nahe am Fluss gebaut wird: Siedlungen in Tallage, Einkaufszentren auf der grünen Wiese.

Deutschland braucht eine nationale Hochwasserzentrale, in der die Erfahrungen der einzelnen Regionen zusammenfließen. Hochwasserschutz ist Ländersache. Und man sollte sich hüten, in diese Planungshoheit einzugreifen. Aber es gibt zu viele verstreute Projekte zum Hochwasserschutz. Allein in Bayern sind es 400. Man wundert sich angesichts solcher Aktivitäten darüber, dass heute noch immer Millionen Sandsäcke in langen Menschenketten von Hand zu Hand gereicht werden, während anderswo längst Lkw über befestigte Wege an die Deiche heranfahren, um den Sand dorthin zu bringen.

Expertenwissen ist für eine erfolgreiche Hochwasservorsorge unerlässlich. Dieses Wissen ist da. Bislang profitieren allerdings nur wenige davon. Etwa die Anrainer der Donau in Baden-Württemberg. Dort haben Wissenschaftler einen vorbildlichen Hochwasseratlas zusammengestellt, der im Internet jedem frei zugänglich ist. Er beinhaltet einen Hochwasser-Steckbrief für jedes Wohngebiet an der 270 Kilometer langen Flussstrecke. Jeder Anwohner kann so erfahren, wie hoch das Wasser in der Vergangenheit bei ihm vor der Haustür stand. Inzwischen können die dortigen Forscher sogar ermitteln, um wie viel der Pegel sinken würde, wenn ehemalige Überschwemmungsflächen wieder in Auen umgewandelt würden.

Aus den Erfahrungen bisheriger Hochwasserkatastrophen kann jeder Hausbesitzer etwas lernen. Es gibt bereits eine Datenbank mit 4000 eingetragenen Schadensfällen. Dort ist nachzulesen, welche Vorzüge ein gekachelter Keller hat und welche Heizungsisolierungen bei Überschwemmung zu faulen beginnen. Wer wüsste das jetzt nicht gern!

Auch Städte und Gemeinden sind unsicher, wie sie ihre Ressourcen am besten einsetzen. Im Katastrophenfall konzentriert sich der größte Schaden oft auf wenige Gebäude. Diese „Hot spots“, wie Krankenhäuser oder Industrieanlagen, gilt es, besonders zu schützen.

Mit modernen Informationssystemen lassen sich die spezifischen Kenntnisse einfach gewinnen – und verbreiten. Es bedarf nur einer Stelle, die die Daten sammelt und aufbereitet. Das könnte die wesentliche Aufgabe einer nationalen Hochwasserzentrale sein.

In England gibt es ein solches Institut. In Deutschland streiten sich hingegen die Wissenschaftler unterschiedlicher Fachgebiete über die Ursachen der Flutkatastrophe. Für den Klimaforscher ist es der Treibhauseffekt, für den Ökologen der Elbausbau und für manchen Wasserbauingenieur der zu niedrige Deich. Herr Kachelmann bemängelt unterdessen die unzureichende Warnung vor den Unwettern.

Es wäre Zeit, sie an einen Tisch bringen, die Kompetenzen zu bündeln, um nächstes Mal besser gewappnet zu sein. Denn in einem sind sich alle einig: Die nächste Überschwemmung kommt bestimmt.

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