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Meinung: Einigkeit und Recht und Schulpflicht

Integration braucht einen Plan: heute – und nicht erst in einem Jahr

Vor dem Integrationsgipfel haben sich die üblichen Verdächtigen noch einmal richtig gezankt: Wie viel Leitkultur, Integrationsbereitschaft oder Verfassungsliebe soll’s denn sein? Typisch deutsch, wie so oft sind die Gefechte um Grundsätze Vertuschungsmanöver. Hinter ihnen versteckt sich die Angst, erstens vor der Gemeinsamkeit und zweitens vor der eigenen Courage.

Vor allem für die Union ließ sich an Ausländern und Zuwanderung immer leicht Trennschärfe zum anderen Lager herstellen. Damit ist es vorbei, das ist ein Fortschritt. Rechts und links der Mitte hat man verstanden: Deutschland ist Einwanderungsland und Multikulti kein fröhliches Völkerfest. Migration verlangt eine Kraftanstrengung der zugewanderten und der angestammten Bevölkerung. Es ist sogar fast unumstritten, was zu tun wäre, vom frühen Spracherwerb über die Steigerung der Integrationsbereitschaft bis zu den Sanktionen, wenn sie verweigert wird.

Es fehlt nicht an Erkenntnissen. Aber an der Einstellung. Wissen die Politiker wirklich, dass sie handeln müssen, und zwar jetzt? Sehen sie den Konsequenzen ins Auge? Zum Beispiel der, dass Kindergärten und Sprachkurse Geld kosten. Und dass über dieses Geld ein Verteilungskampf zwischen Bund und Ländern unvermeidlich ist, weil die Integrationslasten ungleichmäßig verteilt sind.

Das Problem mag erkannt sein, seine Dringlichkeit wird immer noch verdrängt. Vom Integrationsgipfel bis zum Nationalen Integrationsplan will sich die Bundesregierung doch nun ein bisschen mehr Zeit nehmen. Ende 2006 wollte die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer damit fertig sein; nun soll es ein ganzes Jahr dauern. Für Migrantenkinder aus finanzschwachen Bundesländern wie Bremen oder Berlin noch ein verlorenes Jahr.

Und für das ganze Land. Bildung ist der Schlüssel zur Integration, Integration (nicht nur der Migranten) die größte Bildungsreserve. Aber Bildung und Integration teilen ein gemeinsames Schicksal: Politisch finden sie in der Rubrik Sonntagsrede statt. Dabei gibt es hier keine Ausrede. Bei der Arbeitslosigkeit diktiert die Globalisierung viele Bedingungen. Bildungs- und Integrationsprobleme sind im nationalen Rahmen zu lösen – wenn man es wirklich will. Doch Deutschland, das in den vergangenen 30 Jahren zu einer der großen Einwanderungsnationen der Erde geworden ist, reagiert darauf mit der gewohnten Trägheit seiner föderalen Ordnung.

Fehlt es nicht doch noch immer an der Einsicht? Von Segregation spricht niemand laut. Es gibt sie aber, die sozial entmischten Brennpunkte, die von Deutschen so gemieden werden wie von den erfolgreichen Migranten. Stadtteile, in denen um Schulpflicht, Recht und Freiheit gekämpft werden muss. Integration braucht einen nationalen Plan. Seine Vertagung ins nächste Jahr ist eine instinktive Konfliktvermeidungsstrategie der Politik, die das Land lieber auf einer tickenden Zeitbombe sitzen lässt, als den Streit der politischen Ebenen auszufechten.

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