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Einwanderung: Ein Zwischenruf zu Anreizen

Wer sich die Zahlen genauer ansieht, könnte staunen, wie viele der als "Nassauer" gescholtenen Einwanderer arbeiten, oft im Niedriglohnsektor, und sich nicht in die "soziale Hängematte" legen. Barbara John über verschiedene Lesarten von Arbeitslosen-Statistiken.

Einwanderung in die Sozialsysteme! So lautet eine der bissigen Bemerkungen von Politikern und „Experten“, um die Situation in Deutschland zu bilanzieren nach den großen Einwanderungen der vergangenen 40 Jahre. Sie stützen sich dabei auf Daten staatlicher Stellen, die auf den ersten Blick eindeutig zu sein scheinen. Danach ist der Anteil der Hartz-IV-Empfänger unter den Ausländern mehr als doppelt so hoch wie bei Deutschen: 18,4 Prozent zu 7,5 Prozent. Wer schon eingebürgert ist, wird naturgemäß nicht als Ausländer registriert.

Wird der Fokus noch ein wenig schärfer auf die Statistiken gerichtet, zeigen sich allerdings bemerkenswerte Unterschiede zwischen den verschiedenen Einwanderergruppen. So beziehen beispielsweise neun von zehn Libanesen (staatenlose Palästinenser zählen nicht dazu), drei von zehn Türken und Vietnamesen und einer von zehn Kroaten Hartz-IV-Geld. Allein dieses Gefälle entlarvt aber den allgemeinen Vorwurf vom verbreiteten „Ausländer-Schmarotzertum“ als Lüge, denn die meisten Gruppen sind mehrheitlich nicht im Transferbezug. Dazu müssen fairerweise auch die gerechnet werden, die als Reinigungskraft oder in der Altenpflege so wenig verdienen, dass ihr Lohn vom Staat „aufgestockt“ wird. Wer sich also die Zahlen genauer ansieht, könnte eher staunen, wie viele der als „Nassauer“ gescholtenen Einwanderer arbeiten, oft im Niedriglohnsektor, und sich nicht in die „soziale Hängematte“ legen.

Dennoch: 18, 4 Prozent - das ist eine Zahl, die nicht achselzuckend übergangen werden darf. Diese Problemgruppe ist über Jahrzehnte immer größer geworden. Sie umfasst gerade die jüngeren Jahrgänge. Die meisten Personen hinter der Statistik sind in Deutschland geboren und aufgewachsen oder jung eingewandert. Sie sind bereits Eltern oder werden es bald. Was wohl werden sie ihren Kinder über das Leben in der deutschen Gesellschaft vermitteln? Wir haben hier nur Rechte und Ansprüche? Von Eigenverantwortung sind wir enthoben? Gewiss, das gilt auch für deutsche Familien. Ein weiterer Grund, gründlich nachzudenken, ob das derzeitige Sozialsystem das leistet, was es soll, nämlich für voll Arbeitsfähige Anreize zur Arbeitsaufnahme zu schaffen; sie aus Isolation und Passivität herauszuholen. Oder bewirkt es nicht - jedenfalls bei längerer Nutzung - genau das Gegenteil? Diese Anstrengung wäre allemal politischer und konstruktiver, als permanent die Falschmeldung zu wiederholen, wie schamlos Ausländer unser „segensreiches“ System ausbeuten.

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