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Meinung: Es gilt das geschriebene Wort

Merkel und die CDU im Superwahljahr: Noch ist nichts gewonnen

Ob sie wohl betet? Um Beistand und das rechte Augenmaß? Denn das muss sie ständig predigen, die Angela Merkel, zumal nach dem Parteitag in Leipzig: Soll bitte niemand glauben, die CDU hätte das Jahr schon hinter sich, so gut, wie sie dasteht in Umfragen. Sie ist sogar auf dem Weg in Schwindel erregende Höhen. 50 Prozent, jedenfalls knapp, würden CDU oder CSU wählen, wenn heute Bundestagswahl wäre, und 44 Prozent wären für Angela Merkel als Kanzlerin – mag das auch zu hoch gegriffen sein, der Trend ist mit Sicherheit kein Genosse. Und dennoch, es warten harte Prüfungen. Die nicht allein in den Landtagswahlen und der einen Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen zu suchen sind.

Gerade hat sich eine angekündigt. Dass neben anderen auch Manfred Kanther wegen der hessischen Parteispendenaffäre nun doch noch vor Gericht muss, nach vier Jahren, darf in seiner Wirkung wirklich nicht unterschätzt werden. Weder im Blick auf die Öffentlichkeit, die sich wieder mit den schwarzen Kassen und falschen jüdischen Vermächtnissen beschäftigen wird, noch im Hinblick auf die Partei.

Der „schwarze Sheriff“, der Saubermann, so ehrlich wie kantig – das war Kanther für die CDU. Es war einmal. Und die Hessen-CDU, ein „Kampfverband“, wie sie sich selbst nennt, wird sich nun aufs Neue verteidigen müssen. Allen voran ihr Chef, Roland Koch, inzwischen erfolgreicher Ministerpräsident und zwischendurch Kanzlerkandidatenkandidat in spe. Hat der nicht über sein Wissen von den, vornehm ausgedrückt, finanziellen Transaktionen die Unwahrheit gesagt? Ja – und genau darauf werden alle wieder gestoßen werden, in einem Jahr wohlgemerkt, in dem zwar nicht in Hessen, dafür aber anderswo und insgesamt 14 Mal gewählt wird. Der Prozess gegen Kanther u. a. soll zwar erst gegen Jahresende beginnen, aber die Berichterstattung wird bis dahin anhalten.

Womit schon deshalb zu rechnen ist, weil demnächst noch zwei Bücher auf den Markt kommen, von Helmut Kohl und Brigitte Baumeister, die je ihre Sicht der Dinge niedergelegt haben. Kohl, der Kanzler der Einheit und Mann des Ehrenworts, wird unweigerlich beide Erinnerungen wieder hervorrufen: seine 16-jährige Ära im höchsten Regierungsamt und seine höchst unrühmliche Spendenpraxis, die verbunden ist mit dem tiefen Sturz der Partei.

Baumeister wiederum kommt, als ehemalige Schatzmeisterin, von sich aus auf das Thema Spenden zu sprechen, weil es doch sie und Kohls Nachfolger in der CDU, Wolfgang Schäuble, entzweit hat. Auch hier wird noch einmal über alles berichtet werden, über den Waffenhändler Schreiber, ihr Verhältnis, die eine 100 000-Mark-Spende (oder waren es doch zwei?). Baumeister hat darüber alles verloren, Schäuble den Partei- und Fraktionsvorsitz. Doch soll er, wenn alles gut geht, demnächst gewinnen – in der Bundesversammlung im Mai, in der Wahl zum Bundespräsidenten.

Wenn alles gut geht. Kanther, Kohl, Baumeister: Da nahen sie sich wieder, die Gestalten der Vergangenheit, und so ersteht sie aus dem Dunkel auf. Für viele Christdemokraten und -soziale ein Horror, für die SPD ein Segen. Mit Kohl u. a. als Schrecken haben sie sich schon einmal erholt, zunächst Selbstvertrauen zurückgewonnen und dann bei den Wahlen Stimmen. Dazu jetzt noch die inhaltliche Uneinigkeit der Union bei den großen Zukunftsthemen, bei der Kopfpauschale, bei den Steuern – der Trend könnte sich umkehren. Und da sagt Merkel doch gerade, Kohl sei ihr ein uneigennütziger Ratgeber …

Wer Umfragen gewinnt, gewinnt noch nicht die Wahl – so ähnlich hat es Kohl gesagt. Hier hat er unzweifelhaft Recht. Merkel predigt es ihren Leuten immer wieder. Mag von denen der Leipziger Parteitag auch als „Engelchen Himmelfahrt“ bezeichnet worden sein – das Jahr kann für Merkel noch zum Himmelfahrtskommando werden.

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