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Meinung: Es ist nicht alles eins

Von Hermann Rudolph

Nein, schießen sie nicht auf die Richter! Seit der Wende haben wir ja unsere Lektion gelernt, und vielen ist sie bitter aufgestoßen: Das Recht ist nicht das geeignete Instrument zur Aufarbeitung des SEDUnrechtes, schon gar nicht das Rentenrecht.Gewiss, man nimmt auch bei diesem Urteil mit etwas gemischten Gefühlen zur Kenntnis, wie die Verfassungsrichter mit dem Gleichheitsgrundsatz und der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes gegen Rentenkürzungen für Staatsfunktionäre der DDR argumentieren – Maßstäbe, die das System bedenkenlos zur Seite schob, wenn es um seinen Machtanspruch ging. Natürlich steht auch bei einem Volksarmee-Oberst, der Direktor einer Vermessungsbehörde war, einem Juristen im Staatsapparat, der zum Chef des DDR-Patentamts avancierte, und einem Abteilungsleiter im Bauministerium – dies die Kläger – eine besondere „Staats- und Systemnähe“ außer Zweifel. Sie wären, vermutlich, ohne diese Nähe nicht das geworden, was sie waren, und hätten, vielleicht, auch nicht das verdient, was ihnen jetzt die Bundesrepublik sichert. Aber ist daraus schon auf überhöhte, „ungerechtfertigte“, gar „politisch motivierte“ Einkommen zu schließen?

Das verneint das Gericht, und begründet es mit unzulässiger „Typisierung“. Im Klartext: Die gesellschaftliche Wirklichkeit war komplizierter, als es das berechtigte Verdikt über die DDR-Funktionseliten erscheinen lässt. Das Parteipolitische und das Zivile, SED-Karriere und Berufsleistung überlagerten sich. Aber die Pflicht, dieser Wirklichkeit gerecht zu werden, zu differenzieren, wo Differenzen sind, hat die Ordnung des Grundgesetzes dem Staat auferlegt – und mit ihm den Rentenkassen. Dass das Gericht im gleichen Atem die Beschwerde eines Stasi-Mitarbeiters abwies, bestätigt dieses Prinzip. Ratlosigkeit hinterlässt das Urteil doch: Während nun zehn- oder zwanzigtausend hohe DDR-Funktionäre höhere Renten bekommen, bleiben die Opfer der SED-Herrschaft auf ihren Mini-Entschädigungen sitzen. Resignativer Schluss: Wer damals hatte, hat auch jetzt, wer draußen war, guckt auch jetzt zu. Aber das ist nicht den Richtern anzulasten.

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