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Meinung: „Es wird zu viel verordnet.“

Die wohl kalkulierte Konfrontation hat der kleine Mann mit Brille noch nie gescheut. Als erster deutscher Kassenchef hat Dieter Hebel, der Vorstandsvorsitzende der Gmünder Ersatzkasse (GEK), im vergangenen Jahr Rezepte der holländischen Internetapotheke Doc Morris abgerechnet, und sich damit mächtig Ärger eingehandelt, weil das noch gar nicht erlaubt war.

Die wohl kalkulierte Konfrontation hat der kleine Mann mit Brille noch nie gescheut. Als erster deutscher Kassenchef hat Dieter Hebel, der Vorstandsvorsitzende der Gmünder Ersatzkasse (GEK), im vergangenen Jahr Rezepte der holländischen Internetapotheke Doc Morris abgerechnet, und sich damit mächtig Ärger eingehandelt, weil das noch gar nicht erlaubt war. Als das Bundesversicherungsamt ihm daraufhin ein Bußgeld aufbrummte, streckte Hebel das bärtige Kinn trotzig nach vorn, holte tief Luft und kündigte selbstbewusst an: „Wir erstatten weiter, bis ich ins Gefängnis komme.“ Um zu zeigen, dass er es ernst meinte, beantragte der pfiffige Manager in Brüssel auch noch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Hebel sah das Grundrecht des freien Warenverkehrs in der EU gefährdet – und die Versorgung seiner 1,4 Millionen Versicherten mit billigen Auslandspillen in Gefahr. Bundesweite Aufmerksamkeit war ihm sicher.

Er kam dann natürlich doch nicht ins Gefängnis. Seit Jahresbeginn ist der Pillenversand auch in Deutschland erlaubt – und die Gmünder Ersatzkasse dank des geschickten Marketings von Dieter Hebel noch ein Stück bekannter.

Mit unkonventionellen Vorstößen wie diesem hat der 59-jährige Herforder die kleine, unbedeutende Arbeiterersatzkasse aus der Provinz innerhalb weniger Jahre zwar nicht zur größten, aber zur beliebtesten Krankenkasse Deutschlands gemacht. Das gestehen selbst Gegner des gelernten Sozialversicherungsfachangestellten respektvoll ein, denen der Mann gelegentlich mächtig auf die Nerven geht. „Wenn er etwas gut findet, macht er es auch“, heißt es in der Branche. Und wenn die Idee von einem anderen stammt, stört ihn das auch nicht.

Das gilt auch für den GEK-Arzneimittelreport, den Hebel am Mittwoch vorgestellt hat. Erfunden hat den jährlichen Report über die Schwachstellen der Arzneimittelversorgung eigentlich die AOK – lange vor Hebel. Doch während die viel gehaltvolleren AOK-Daten in der öffentlichen Diskussion kaum eine Rolle spielen, ist der dünnere GEK-Report in aller Munde. Auch den GEK-Gesundheitsreport, der die Krankheitstage der Nation auflistet, hat Hebel bei der Konkurrenzkasse DAK abgeguckt. Mit beiden Studien hat sich Hebel einen Namen als Detektiv der Verschwendung gemacht. Weil er zudem gut haushalten kann und den Beitragssatz in diesem Jahr auf 13,9 Prozent gesenkt hat, ist er auch bei den Versicherten beliebt: Seit Jahresbeginn hat Hebel 20 000 neue Kunden geworben.

Maren Peters

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