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Euro-Skeptiker: Kein Ort für Wolpertinger

Es ist ein Kreuz mit dem Euro-Skeptiker. Auf den Straßen, heißt es, sei er massenhaft unterwegs.

Von Robert Birnbaum

Es ist ein Kreuz mit dem Euro-Skeptiker. Auf den Straßen, heißt es, sei er massenhaft unterwegs. Die Demoskopen glauben ihn in Scharen aufzuspüren. Wichtige Politiker warnen jeden Tag vor ihm. Nur wenn er mal dingfest gemacht werden soll – dann ist er ungefähr so schwer zu fassen wie der Wolpertinger.

Der Wolpertinger – für alle, die gerade kein Wikipedia zur Hand haben – ist ein in süddeutschen Wäldern vermutetes Mischwesen aus allem möglichen Getier, das angeblich mit Vorliebe Preußen frisst. Bei der CSU wissen sie, was ein Wolpertinger ist. Ob sie nach ihrem Parteitag an diesem Wochenende noch wissen, was ein Euro-Skeptiker ist, kann man bezweifeln. Vorher galt zum Beispiel Peter Gauweiler als ein solcher. Dann hat er sich leider zu Wort gemeldet. Man tut dem „Schwarzen Peter“ nicht unrecht, wenn man seine Ansprache dahingehend zusammenfasst, dass die Finanzmärkte verrückt seien, Europa die eigenen Stabilitätskriterien endlich kompromisslos einhalten müsse und eine europäische Sparpolitik für Griechenland nichts tauge, wenn sie dazu führe, dass ein Lehrer in Athen seit drei Monaten kein Gehalt mehr bekomme und nun in der Zeitung lese, dass davon künftig 20 Prozent gekürzt würden.

Der Mann hat ja recht. Aber soll das nun Euro-Skepsis sein? Die CSU hat Gauweiler folgerichtig nicht zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Wozu soll er da gut sein, wenn er eh nur sagt, was die anderen auch sagen, bloß unterhaltsamer? Noch viel bemerkenswerter ist, dass auch sonst kein einziger Christsozialer ans Rednerpult getreten ist, der Grundsätzliches gegen dieses Europa eingewandt hätte. Wenn irgendwo Euro-Skepsis Zuhause sein sollte, dann doch in dieser so betont bayerischen Regionalpartei. Aber keiner hat sich dazu bekannt.

Trauen die sich nicht? Oder ist vielleicht die Wahrheit doch die, dass es in diesem Land zwar jede Menge Meckerei gibt über dieses durchgeknallte Brüssel-Europa, das sich mit Bananenkrümmungsradiusnormen lächerlich macht, mit Glühlampenverboten nervt und überhaupt all die Abwehrreflexe auslöst, die jede Zentrale bei den von ihr ungebetenerweise Regulierten hervorruft – dass aber diese Deutschen, ja selbst diese Bayern sich sehr wohl der enormen Vorzüge der Gemeinschaft bewusst sind? Kann es überdies sein, dass die Leute sich zwar furchtbar darüber aufregen, dass wir mit unserem guten Geld den tricksenden Griechen helfen sollen – dass sich diese Aufregung aber nur wenig von jenem resignierten Ärger unterscheidet, mit dem der Bayer das vorlaute Berlin dann am Ende doch finanzausgleicht? Den Wolpertinger trifft man praktisch nie in freier Wildbahn, immer nur als ausgestopften Kinderschreck. Mit dem Euro-Skeptiker verhält es sich eventuell ganz ebenso.

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