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EZB-Zentrale in Frankfurt.

© dpa

Umstrittene Kreditvergabe: Europas Zentralbank außer Kontrolle

529 Milliarden Euro an Billigkrediten hat die EZB am Mittwoch an einige Hundert Banken vergeben - ohne Auflagen, ohne Kontrolle. Damit hat die Zentralbank erneut den Beleg geliefert, dass ihre elitären Zirkel stärker überwacht werden müssen.

Man stelle sich vor, die EU-Kommission würde 90 Milliarden Euro an Europas notleidende Textilindustrie auszahlen, ohne zuvor die Regierungen oder Parlamente zu konsultieren. Das Geld würde zudem ohne jede Auflage zugeteilt, und die Empfänger hätten sogar die Freiheit, mit dem Geschenk ihre Gehälter zu erhöhen. Ein solches Szenario erscheint völlig ausgeschlossen. Schließlich obliegt die Verwendung öffentlicher Gelder in demokratischen Staaten grundsätzlich der Kontrolle durch gewählte Repräsentanten. Kein Beamter, gleich welchen Rangs, darf Staatsgeld nach Gutdünken verschenken.

Doch genau das haben gestern Morgen sechs leitende europäische Beamte getan. Binnen einer Stunde verlieh die Europäische Zentralbank (EZB) auf Beschluss ihres Direktoriums 529 Milliarden Euro an einige Hundert Banken für drei Jahre zum Zinssatz von nur einem Prozent. Im Dezember haben Europas Währungshüter schon einmal 489 Milliarden Euro zu gleichen Konditionen vergeben. Damit können die begünstigten Banken nun mehr als eine Billion Euro für den vier- bis fünffachen Zins an Unternehmen, Konsumenten und Staaten weiterreichen und auf diesem Wege mal eben gut 90 Milliarden Euro Zusatzgewinne einstreichen – einfach so, ohne Bedingungen, ohne Auflagen, ohne Kontrolle.

Wenn es noch eines Beleges bedurft hätte, dass die Verfassung der Euro-Zone eine gefährliche Fehlkonstruktion ist, so haben ihn EZB-Präsident Mario Draghi und seine fünf Kollegen mit dieser Aktion geliefert. Gewiss, die Banken der Krisenländer leiden unter Vertrauensschwund und bekamen am Markt keine neuen Kredite mehr, um auslaufende Anleihen zu bedienen. Es drohte eine erneute Bankenkrise. In der Folge stiegen auch für ihre größten Kunden, die Staatskassen in Madrid und Rom, die Zinsen auf unbezahlbares Niveau. All das ist mit dem elektronisch geschöpften Geldregen vorerst abgewendet. Aber das rechtfertigt keineswegs die Vorgehensweise. Denn de facto betreiben die EZB-Granden wieder eine Bankenrettung, die intransparent ist, gegen demokratische Grundnormen verstößt und zig Milliarden Euro öffentlicher Mittel verschwendet, ohne die zugrunde liegenden Probleme zu lösen.

Das beginnt schon damit, dass die Billigkredite ohne jede Bedingung ausgereicht wurden. So ist absehbar, dass bei all jenen Banken, die von der Krise gar nicht betroffen sind, das EZB-Geschenk nur zur Erhöhung der Bonus- und Dividendenzahlungen dienen wird. Gleichzeitig ist durch nichts sichergestellt, dass die anfälligen Banken nach drei Jahren wirklich saniert sind. Insofern hätten die Bankenfreunde im Frankfurter EZB-Turm zumindest auf ein EU-Begleitgesetz dringen müssen, das die Subvention an Sanierungsauflagen knüpft und erhöhte Gewinnausschüttungen verhindert.

Noch fragwürdiger ist die indirekte Zinssubvention für die klammen Staatskassen. Einerseits beharren die Herren über den Euro auf dem Prinzip, dass ihre Notenbank die Staaten nicht finanzieren darf. Andererseits ist aber genau das ein zentrales Ziel ihrer Aktion, nur dass sie es nun über die Banken organisieren, die dabei ein gutes Geschäft machen. Das Gleiche hätte sich jedoch auch erreichen lassen, wenn der Rettungsfonds EFSF eine Banklizenz erhalten und mithilfe von EZB-Krediten Anleihen der Krisenstaaten gekauft hätte. Auf diesem Weg wären die Zinsgewinne nicht bei den Banken gelandet, sondern hätten für das Gemeinwohl eingesetzt werden können, zum Beispiel in Griechenland.

Es gibt gute Gründe für die gesetzlich garantierte Unabhängigkeit der Notenbank von der Politik. Keine Regierung sollte Zugriff auf die Geldschöpfung haben. Aber wenn die Verwalter dieses Privilegs der Geldbranche bedenkenlos Milliardengewinne zuschanzen, während sie gleichzeitig Millionen Menschen drastische Lohn- und Rentenkürzungen verordnen, missbrauchen sie diese Unabhängigkeit. Darum gilt es, den elitären EZB-Zirkel künftig weit mehr als bisher rechenschaftspflichtig gegenüber dem EU-Parlament zu machen. Auch Notenbanker können durch Macht korrumpiert werden. Dagegen hilft nur öffentliche Kontrolle.

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