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Meinung: EZB: Ein kleiner Mutmacher

Lange haben Ökonomen, Politiker und auch Aktionäre gespannt auf diesen Tag gewartet. Nun ist es soweit: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag den Leitzins um 0,25 Punkte gesenkt.

Von Antje Sirleschtov

Lange haben Ökonomen, Politiker und auch Aktionäre gespannt auf diesen Tag gewartet. Nun ist es soweit: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag den Leitzins um 0,25 Punkte gesenkt. Zum ersten Mal seit dem vergangenen Mai. Hat uns EZB-Präsident Wim Duisenberg damit aus dem Stimmungstief des Sommers erlöst? Werden die Unternehmen nun mit frischem Mut Investitionen angehen und das Wirtschaftswachstum ankurbeln, werden jetzt in großer Zahl neue Arbeitsplätze entstehen?

Bestimmt nicht. Die Zentralbank hat sich dafür entschieden, für Kredite, die die europäischen Banken bei ihr aufnehmen, ab sofort nur noch 4,25 statt 4,5 Prozent Zinsen zu berechnen, und das Geld damit billiger zu machen. Das wird kein Feuerwerk an den Börsen auslösen. Und das hat natürlich keine rasch spürbaren Auswirkungen auf Konjunktur und Beschäftigung.

Und dennoch könnte gerade dieser Zinsschritt ein ganz besonderer für Europa sein. Denn er hat - mehr als andere Zinssenkungen zuvor - eine psychologische Wirkung. Nicht nur, weil Wim Duisenberg an diesem Donnerstag ganz offiziell mit der Vorstellung der neuen Euronoten den Countdown für die Einführung des Eurobargeldes zum 1. Januar 2002 eröffnet hat. Auch, und das ist sogar noch wichtiger, weil die Geldpolitiker in Europa einen richtigen Schritt im korrekten Augenblick getan haben.

Das Wachstum der Wirtschaft in der ganzen Welt hat einen Tiefpunkt erreicht. Das Bruttoinlandsprodukt der USA stagnierte im zweiten Quartal nahezu bei 0,2 Prozent. Das Wort der drohenden Rezession wird dort seit geraumer Zeit immer lauter ausgesprochen. Auch die negativen Nachrichten über Investitionen, den Arbeitsmarkt und die Perspektiven in Japan und Lateinamerika reißen seit Wochen nicht mehr ab. Und in Europa? Hier, in der alten Welt schleicht die Konjunktur, das Wirtschaftswachstum Deutschlands hielt mit 0,6 Prozent im zweiten Jahresquartal beinahe inne.

Anders als der amerikanische Notenbankchef Alan Greenspan, der in den vergangenen Monaten nicht weniger als sieben Mal die Leitzinsen gesenkt hat, beschränkte sich die Europäische Zentralbank bis jetzt auf einen einzigen Schritt im Mai. Alan Greenspan versteht seine Aufgabe anders als der Europäer Duisenberg. Der Amerikaner erkannte die rasch ermüdende Konjunktur in den USA und betrieb mit seiner Währungspolitik eine offensive Konjunkturpolitik. Die Europäische Zentralbank - lange der Hoffnung anhängend, dass Europa von der Talfahrt der amerikanischen Konjunktur verschont bleiben werde - betrachtet sich in erster Linie als Hüter der Währungsstabilität und versagte deshalb bis jetzt Zinsschritte, weil Lebensmittel- und Energiepreise die Teuerung in Europa im Frühjahr und Sommer angetrieben haben.

Nun wendet sich für Wim Duisenberg das Blatt. Die Inflationsraten in den europäischen Ländern gehen zurück und auch das Wachstum der Geldmenge beunruhigt den Stabilitätsbewahrer Duisenberg nicht mehr. Konjunkturtief und gebannte Inflationsgefahr: Für die Europäische Zentralbank sind das die Voraussetzungen für eine Zinssenkung mit Signalwirkung. Denn die Unternehmer in Deutschland und Europa sind wieder optimistischer gestimmt. Die jüngsten Befragungen des Münchner Ifo-Instituts belegen ihre wachsende Hoffnung auf mehr Umsatz und ihren Willen zu neuen Investitionen, die Arbeitsplätze schaffen und dem Konsum wieder neuen Auftrieb geben.

Wenn nun auch die Politiker in Deutschland, Frankreich, Brüssel und anderswo auf dem Kontinent durch Reformsignale den Mut der Unternehmen beflügeln, dann könnte Europa rascher aus dem Konjunkturtief herausfinden als der Rest der Welt.

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