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Großelternzeit: Warum eigentlich nicht?

© dpa

Familienförderung: Großelternzeit: Gute Idee, aber realitätsfern

Vieles spricht dafür, die Idee einer "Großelternzeit" gut zu finden. Nur umsetzbar scheint der Verschlag aufgrund ziemlich gewichtiger Argumente nicht. Aber daran stört sich Kristina Schröder nicht. Einen Mangel an Überzeugung kann man ihr nicht vorhalten.

Von Anna Sauerbrey

Kristina Schröder hat es wieder einmal geschafft. Niemandem in der deutschen Politik gelingt es wohl so gut, Menschen, die sich sonst spinnefeind sind, im Protest zu vereinen. Die Arbeitgeberverbände und die SPD, die FDP und die Arbeiterwohlfahrt nehmen sich an den Händen und singen im Protestchor. Dieses Mal ist es das „Großelterngeld“, das diese Verschmelzung der Meinungspole auslöst. Die CDU-Ministerin hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem berufstätige Omas und Opas einen Rechtsanspruch auf eine dreijährige Auszeit vom Beruf haben sollen, um sich um ihre Enkel unter 14 Jahren zu kümmern. Noch in dieser Legislaturperiode möchte die Ministerin das Gesetz auf den Weg bringen. Die Antwort ist Kreischen. Zu teuer, zu unpraktisch für die Unternehmen und so weiter.

Man ist schon deshalb geneigt, der Familienministerin einmal beizuspringen: der Pluralität halber. Beginnen wir also damit, was alles gut ist an ihrem Vorschlag. Die Politik von Kristina Schröder ist darauf ausgerichtet, den Staat von Fürsorgeaufgaben zu entlasten und Familien dazu zu bewegen, Leistungen wieder selbst zu erbringen. Darauf zielt das Betreuungsgeld, darauf zielt die Pflegezeit, die es Arbeitnehmern ermöglichen soll, ihre gebrechlichen Eltern selbst zu versorgen, darauf zielt die „Großelternzeit“.

Vieles spricht dafür, das gut zu finden. In Zeiten knapper Kassen und des demografischen Wandels werden die Sozialsysteme entlastet. Es stärkt die Idee der Eigenverantwortung. Und es ist gut, dass es noch jemanden gibt, der beim „Generationenvertrag“ nicht nur an die Ein- und Auszahlungen des Rentensystems denkt. Doch die Familienministerin hat zwei Gegner, die stärker sind als die AWO und die Arbeitgeberverbände. Der erste ist die Familienrealität. Denn die Familie, die Kristina Schröder mit ihrer Politik fördern will, gibt es immer seltener. Viele Großeltern sind beinahe schon zu alt, um auf ihre Enkel aufzupassen, denn deutsche Frauen bekommen immer später Kinder. Es gibt unzählige Patchworkfamilien und Jobnomaden, die mit ihren Kindern einfach zu weit von Oma und Opa weg wohnen. Und es gibt viele, Ältere wie Jüngere, die es sich gar nicht leisten können, aus ihren Jobs unbezahlt für ein paar Jahre auszusteigen.

Der zweite Gegner ist jene demografische Entwicklung, deren Effekte die Ministerin mit ihren Reformen abmildern möchte. Heute kommt auf drei Deutsche zwischen 20 und 64 ein über 65-Jähriger. Schon 2030 wird das Verhältnis bei zwei zu eins liegen. Würden all jene zu Hause bleiben, deren Eltern oder Enkel Hilfe benötigen, wäre fast niemand mehr übrig für den Rest der Volkswirtschaft.

Dass Kristina Schröder es mit diesen beiden mächtigen Gegnern aufnehmen will, ist beeindruckend. Einen Mangel an Überzeugung kann man ihr nicht vorhalten. Doch ihr Kampf grenzt an Realitätsverleugnung. Statt einer goldenen Zeit sich selbstversorgender Großfamilien nachzuhängen, muss gerade eine Familienministerin die Welt nehmen, wie sie ist. Und das kann nur heißen, aus Steuermitteln finanzierte, gemeinschaftliche Hilfen für Familien zu schaffen: moderne, flexible Pflegeeinrichtungen, mehr Kitas, kreative Betreuungsformen für Alte und Junge. Das ermöglicht es der schrumpfenden Gruppe der Werktätigen, ihren Beruf schnell wieder aufzunehmen. Und Berufstätige zahlen bekanntlich Steuern, die das finanzieren können.

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