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Meinung: FDP: In die Marktlücke

Am Vorabend des FDP-Bundesparteitages herrscht in der liberalen Führung ein Ton wie zwischen zwei Boxern am Kampftag. Der Unterschied: Die Sportler wissen, dass nur einer gewinnt.

Am Vorabend des FDP-Bundesparteitages herrscht in der liberalen Führung ein Ton wie zwischen zwei Boxern am Kampftag. Der Unterschied: Die Sportler wissen, dass nur einer gewinnt. Da ist die psychologische Kriegsführung ein geläufiges Mittel zur Verunsicherung des Gegenübers. Die Freien Demokraten wollen gemeinsam siegen. Nur merkt man es ihnen nicht an.

Anders als früher, als sie sich schon einmal wegen der Besetzung von Spitzenpositionen unterm Tisch mobbten, streiten sie jetzt jedoch ziemlich intrigenfrei, sozusagen in offener Feldschlacht. Man kann das auch Binnenpluralität nennen. Auf jeden Fall ist es sympathischer als Durchstechereien. In der FDP herrscht Aufbruchstimmung, und es menschelt gewaltig. Das ist gut so, gut für eine Partei, mit der man in ihrer jüngeren Vergangenheit eher Begriffe wie emotionale Kälte assoziierte. 18 Prozent - ein stolzes Ziel! - holt man mit dem Image eines Kühlschranks jedenfalls nicht.

Früher war das Erscheinungsbild der FDP einmal anders. Otto Graf Lambsdorff stand für Bürgerfreiheit und Marktwirtschaft. Er überzeugte als ein radikaler Liberaler, der die Partei wegen seines bedingungslosen Eintretens gegen jegliche Dogmatisierung attraktiv machte. Genauso wie Hans Dietrich Genscher, dessen internationaler Vertrauensbonus im Wendejahr 1989 so unvergleichlich wichtig war und der in der ersten Bundestagswahl nach der Wiedervereinigung in seiner ostdeutschen Heimatstadt fast ein Drittel der Stimmen bekam - der Erststimmen wohl gemerkt!

Das ist, für politische Verhältnisse, lange her. Lambsdorff und Genscher spielen in der aktiven Politik keine Rolle mehr. Aber als verlässliche Zugpferde vor den liberalen Karren spannen muss die neue Führung auch sie unbedingt. Sie geben immer noch die Richtung vor, in die sich Westerwelle, Döring, Möllemann und Cornelia Pieper entwickeln müssen. Die Marktlücke für liberale Politik ist heute eher größer als früher. Ideologien spielen für die jüngere und mittlere Generation eine geringere Rolle denn je. Die richtet ihre parteipolitischen Prioritäten von Fall zu Fall danach aus, wo die sachdienlichsten Konfliktlösungen angeboten werden. Besondere Chancen hat da, wer den Einfluss des Staates zurückdrängt und seinen Durchgriff auf Einkommen und Individualrechte.

Die Liberalen müssen also ihre klassischen Felder nur überzeugend besetzen. Die Bildungs- und die Steuerpolitik stehen dabei ganz oben an. Bei der Alterssicherung wird es um die Stärkung der persönlichen Verantwortung gehen. Die Sachthemen fallen der FDP zu. Die Aura der Verlässlichkeit in der Sache aber muss man sich mühsam erwerben, auf dem Marktplatz der Öffentlichkeit herbeireden kann man sie nicht. Das wird der angehende Parteivorsitzende Guido Westerwelle genauso begreifen müssen wie Jürgen Möllemann und Walter Döring.

Ob die FDP sich im Jahre 2002 der SPD oder der Union als Koalitionspartner anbieten möchte, muss der Düsseldorfer Parteitag nicht entscheiden. Liberale Gedanken als Gegengewicht können beide großen Volksparteien vertragen. Und wenn die Voraussetzungen dafür stimmen, wird der Parteivorsitzende Westerwelle automatisch Vizekanzler werden. Für liberale Kanzlerkandidaten daneben gibt es keinen Platz.

Was der FDP hingegen gut tun würde, wäre ein exzellenter Wahlkampfmanager, jemand, der vor Ideen geradezu übersprudelt und immer einen Tick schneller ist als die Konkurrenz. Vielleicht ist das ja eine Aufgabe, für die sich Jürgen Möllemann erwärmen könnte.

Gerd Appenzeller

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