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Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann.

© Karikatur: Tagesspiegel

Fettes deutsches Brot: Bäcker wollen Weltkulturerbe werden

Die deutschen Bäcker haben 3000 Rezepturen für Brot auf Lager. Und wollen das Brot zum Weltkulturerbe machen. Unser Kolumnist Helmut Schümann fragt sich, warum sie die vielen Rezepte nicht backen.

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing? Nö, mach ich nicht. Ich singe nicht das Loblied des deutschen Brotes. Ich weiß ja kaum noch, was deutsches Brot ist. Das hört sich jetzt ein bisschen nach „Früher war alles besser“ an, aber früher schickte die Mutter den Jung immer zur Bäckerei Mannheim in der Friedrichstraße, um dort ein „Dunkles Graubrot“ zu kaufen. Zu Hause dann war als Erstes das „Knäppchen“ dran, wie der Knust bei uns hieß. Das Knäppchen war sehr kross, eigentlich eher hart und es schmeckte sehr, sehr gut.

Wenn ich heute Brot kaufe, kaufe ich meistens die immer gleichen Backmischungen, Industrieware, die von keinerlei Backkunst kündet, sondern nur noch von Langeweile und Labbrigkeit. Da, wo ich wohne, und das ist sehr zentral in Berlin, mitten in Charlottenburg, gibt es im Umkreis von vier Kilometern keinen Bäcker mehr, nur noch Backshops und Backketten. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks sieht das aber ganz anders. Der hat seine Bäcker aufgerufen, Rezepte einzusenden, und dann sind mehr als 3000 Rezepturen eingegangen. Was den Verband nun auf die Idee gebracht hat, das deutsche Brot zur Aufnahme in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes vorzuschlagen. Unklar bleibt aber, warum die Bäcker die 3000 Rezepturen nicht auch mal ausprobieren und backen.

Das Brot konkurriert übrigens unter anderem mit dem Leierkastenspiel, dem protestantischen Choral, der natürlichen Geburt ohne Operation und Medikamente und dem Bier um die Aufnahme. Was man davon hat, wenn man Weltkulturerbe ist, weiß ich nicht. Aber wenn man sich daneben benimmt, kann die Unesco einem den Status auch wieder wegnehmen.

So wurde das Wildschutzgebiet der Arabischen Oryxantilope in Oman wieder gestrichen, weil das Reservat um 90 Prozent verkleinert worden war, um dort Öl zu fördern, und der Bestand an Oryxantilopen von 450 auf 65 Tiere zurückging. Und im Dresdner Elbtal war es auch nicht geschickt, die Waldschlößchenbrücke zu bauen. Jetzt ist das Elbtal nur noch ein einfaches Elbtal.

Aber ex negativo könnte eine Chance fürs deutsche Brot liegen. Wenn nämlich erst einmal Brot in Deutschland nur noch in Backshops, Backketten und dergleichen hergestellt wird, wenn noch der letzte Bäcker, der um vier in der Früh aufsteht, damit das Brot samt Knäppchen fertig ist, wenn wir anderen aufstehen, seinen Laden wegen Unrentabilität geschlossen hat, ist das Weltkulturerbe gewiss ganz schnell wieder weg. Um es wieder zu bekommen, sollten unsere Bäcker dann erst mal kleine Brötchen backen. Solche, die dann auch schmecken.

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