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Meinung: Foulspiel auf dem Maisfeld

Die Blockade des Gesetzes zu Genfood ist gefährlich

Alexander S. Kekulé Manchmal spielen Politiker mit ebenso harten Bandagen wie Profifußballer. Eine besonders spannende Begegnung wird diese Woche in Sachen GenNahrung ausgetragen: Die bündnisgrüne Verbraucherschutzministerin will ihre Novelle des Gentechnikgesetzes bis Freitag durch den Bundestag kämpfen, CDU und FDP wollen dies mit allen Mitteln verhindern.

Die anfangs befürchteten Unverträglichkeiten und Allergien durch genmanipulierte Pflanzen sind bisher nicht beobachtet worden. Allerdings muss jede neue Schöpfung aus dem Labor mit großem Aufwand überprüft werden, da sich die Eigenschaften neuer Genpflanzen nicht sicher vorhersagen lassen. Wahrscheinlicher als medizinische Nebenwirkungen sind Schäden für die Umwelt: Durch Pollenflug und Insekten können die künstlichen Gene viele Kilometer weit auf andere Pflanzen übertragen werden. So könnten etwa gegen Schädlinge, Pestizide oder Austrocknung beständige Unkräuter entstehen.

Einmal freigesetzte Designer- Gene sind kaum wieder einzufangen: In Mexiko ist der natürliche Mais in 16 von 22 Regionen mit genveränderten Sorten kontaminiert. Genveränderter Raps ist sogar so ausbreitungswütig, dass im Umkreis von 20 Kilometern kein konventioneller Anbau mehr möglich ist. Die Auswirkungen dieser unkontrollierten Genexperimente auf die empfindlichen Ökosysteme, zumal in Entwicklungsländern, sind vollkommen unbekannt.

Verbraucherschutzministerin Künast befürchtet zudem – zu Recht –, dass der Boom der biologischen Landwirtschaft ein jähes Ende nehmen könnte, wenn ÖkoProdukte mit genveränderten Sorten verunreinigt werden. Warum sollte der Verbraucher mehr Geld ausgeben, wenn ohnehin alles „genverseucht“ ist?

Deshalb sollen die benachbarten Genbauern im Zweifel kollektiv haften, wenn ein Biobauer auf unbekanntem Wege kontaminiert wurde. Dazu sollen, wie von der EU vorgeschrieben, zentrale Register der genveränderten Felder angelegt und Sicherheitsabstände vorgeschrieben werden. Schließlich sieht der Gesetzentwurf eine Fachqualifikation für Genbauern und Regeln für die Anwendung des veränderten Saatgutes vor.

Nachdem das Gesamtwerk an den Unionsländern gescheitert ist, will Künast zumindest die Regelungen zur Haftung und Registrierung ohne Zustimmung des Bundesrates verabschieden. Die Eile kommt nicht von ungefähr: Das von CDU und FDP regierte Sachsen-Anhalt sieht in der grünen Gentechnik die Chance, die rote Laterne abzugeben und von der europaweiten Ablehnung der Technik zu profitieren. Deshalb initiierte das wirtschaftlich schwächste Bundesland eine eilige Geheimaktion, bei der genveränderter Mais in großem Stil ausgesät wurde – die Rede ist von 30 Feldern in sieben unionsgeführten Bundesländern. Weil das neue Gentechnikgesetz bisher blockiert ist, müssen die Standorte nicht bekannt gegeben werden. Schadenersatzansprüche sind deshalb vorerst nicht zu befürchten. Statt der Sicherheitsabstände wurden dem Vernehmen nach – zur Tarnung vor Umweltaktivisten – Umpflanzungen mit normalem Mais angelegt. Sachsen-Anhalt will damit die etwa 75 Prozent der Deutschen, die Umfragen zufolge gegen genveränderte Lebensmittel sind, mit Gewalt vom Gegenteil überzeugen. Schade, dass es in der Politik keinen Unparteiischen auf dem Feld gibt.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Halle-Wittenberg. Foto: Jacqueline Peyer

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