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Meinung: „Frauen sind gut für Chiles Demokratie“

Vielleicht ist der Aufstieg der Chilenin Michelle Bachelet mit dem von Angela Merkel vergleichbar. Denn auch im Leben der 54-jährigen Sozialistin sprach zunächst vieles dagegen, dass sie einmal aussichtsreichste Kandidatin für den Posten einer Regierungschefin sein würde.

Vielleicht ist der Aufstieg der Chilenin Michelle Bachelet mit dem von Angela Merkel vergleichbar. Denn auch im Leben der 54-jährigen Sozialistin sprach zunächst vieles dagegen, dass sie einmal aussichtsreichste Kandidatin für den Posten einer Regierungschefin sein würde. Am Sonntag findet in Chile die Stichwahl um die Präsidentschaft zwischen Bachelet und dem konservativen Unternehmer Sebastian Piñera statt. Obwohl Bachelet die erste Runde der Wahl am 11. September mit 46 Prozent haushoch gewann, ist ihr Vorsprung zuletzt auf wenige Prozentpunkte zusammengeschrumpft. Widersacher Piñera spielt die Macho-Karte und unterstellt Bachelet, sie sei eine unsichere Frau, der man die Regierungsgeschäfte nicht anvertrauen könne. Die chilenischen Männer geben denn auch mehrheitlich an, für den Milliardär stimmen zu wollen, der einen Fernsehsender und eine Luftfahrtgesellschaft besitzt. Bachelet kontert: „Frauen machen eine schnörkellose Politik. Sie tun der chilenischen Demokratie gut.“

Das kommt zumindest bei den Chileninnen an, von denen die meisten sagen, sie wollten Bachelet wählen. Und das trotz, oder gerade wegen ihres für eine Lateinamerikanerin recht ungewöhnlichen Lebenslaufs. Bachelet ist allein erziehende Mutter dreier Kinder von zwei Vätern. Im erzkatholischen Chile nennt sie sich eine Agnostikerin. Außerdem ist sie Sozialistin und gibt zu, alle Todsünden begangen zu haben. Dass sie nun gute Chancen hat, die erste Frau zu werden, die eine südamerikanische Regierung führt, hat auch mit ihrer Leidensfähigkeit zu tun. Weil sie Mitglied der Sozialistischen Jugend war, sperrte das Regime Augusto Pinochets sie 1975, zwei Jahre nach dem Militärputsch, mit ihrer Mutter in einen Kerker. Bachelets Vater, Luftwaffengeneral Alberto Bachelet, hatte man im Jahr zuvor umgebracht. Lebte er noch, so Bachelets Mutter, würde er seine Tochter die „Tigertochter“ nennen.

Tatsächlich bewies Bachelet im Leben häufig, dass es ihr nicht an Mut mangelt. Nach der Freilassung geht sie 23-jährig ins Exil in die DDR und setzt ihr Medizinstudium in Leipzig und Ost-Berlin fort. In Deutschland, sagt sie, habe sie den Wert von Arbeit schätzen und eine praktischere als die chilenische Gesellschaft kennen gelernt. Um ihren Beruf ausüben zu können, wagt sie sich 1979 nach Chile zurück, will als Kinderärztin praktizieren, doch das Regime verbietet es ihr. Bachelet findet einen Ausweg, kümmert sich um Kinder, deren Eltern Opfer der Militärdiktatur geworden sind.

Ironischerweise belegt die leidenschaftliche Tänzerin dann nach dem Ende der Diktatur 1990 einen Kurs in Militärstrategie. Die Investition lohnte sich. Präsident Ricardo Lagos ernennt sie 2000 zur Gesundheitsministerin und macht sie 2002 zur ersten Verteidigungsministerin Lateinamerikas. Die nur 1,65 Meter große Bachelet nahm nun die Paraden der Generäle ab, die ihr und ihrer Familie zuvor großes Leid zugefügt hatten. Doch Bachelet insistierte, dass die Versöhnung der Chilenen Vorrang habe. Das gelte heute auch auf sozialem Gebiet, so Bachelet. Obwohl das Land hervorragende Wirtschaftsdaten aufweist, ist die Schere zwischen arm und reich in den letzten Jahren weit aufgegangen. Bachelet, die bei einem Sieg die Hälfte ihres Kabinetts mit Frauen besetzen will, verspricht Umverteilung. Darüber hinaus wird erwartet, dass sie die marktorientierte Politik des Mitte-Links-Bündnisses Concertación, das Chile seit 1990 regiert, fortsetzt. Philipp Lichterbeck

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