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Meinung: G-8-Gipfel: Fluch der Gewalt

Da sind sie wieder, vermummt und bewaffnet, die Touristen der Gewalt, reisende Kriminelle. Sie bringen Terror - über die friedlichen Bürger der Hafenstadt Genua, aber auch über die friedlichen Globalisierungskritiker.

Da sind sie wieder, vermummt und bewaffnet, die Touristen der Gewalt, reisende Kriminelle. Sie bringen Terror - über die friedlichen Bürger der Hafenstadt Genua, aber auch über die friedlichen Globalisierungskritiker. Die Krawallmacher sind wieder da, weil sie überall sind, wo sie es mit ihren Methoden weltweit in die Medien schaffen können. So ist es inzwischen bei Großereignissen, bei Gipfeln: Sie provozieren - und denunzieren damit die friedliche Mehrheit. Die wird von der extremistischen Minderheit in der öffentlichen Wahrnehmung überrannt.

In Genua geht es wieder um Globalisierung. Dieses Wort ist ideologisch aufgeladen, auf "das Kapital" und seine Bedürfnisse reduziert. Eine solche Aufladung wird aber der konkreten Arbeit vieler Menschen nicht gerecht, die sich über die Grenzen - global - organisieren und im Grunde unideologisch arbeiten. Es sind Hunderttausende in Hunderten von Initiativen, darunter angesehene "Nichtregierungsorganisationen", die versuchen, auf ihre Weise eine Entsprechung zur Globalisierung von Unternehmen zu bilden. Diese Menschen arbeiten an Konzepten für eine nachhaltige Bewältigung sozialer und ökologischer Herausforderungen der Neuzeit. Sie suchen nach einer alternativen Umwelt- und Entwicklungspolitik, einer anderen, aus ihrer Sicht gerechteren Welthandelsordnung. Sie treten ein für eine Entwicklung, die hinausreicht über Wirtschaftsströme. Und sie finden Wortführer aus ganz unterschiedlichen Bereichen: Bob Geldof, Bono von U 2, Muhammad Ali, auch Kofi Annan.

Der skeptische Gestus hat nicht, wie leicht behauptet wird, nur einen linken Ursprung. Bei den Gegnern der Globalisierung finden zugleich Wertkonservative politischen Raum. Die Ökonomisierung aller Lebensbereiche führt aus ihrer Sicht zu sozialer Entsolidarisierung und zu Kulturverlust. Weiter wird die Entfesselung der Produktivkräfte kritisiert, und Wertkonservative warnen davor, zu viel unter Kosten-Nutzen-Aspekten zu betrachten. Ihnen geht es um den Wert des Nicht-Ökonomischen, um Identität, Heimat, Kultur, auch um die Nation, nicht reaktionär, sondern im Sinn der Selbstvergewisserung. Sonst zerfalle die Basis der Gesellschaft, lautet ihr Argument.

Auch Gruppen, die so denken, finden sich in der Schar der Kritiker, der "Globalisierungsgegner". Manche kommen aus den Kirchen oder bürgerlichen Parteien. Sie reihen sich ein in den Zug friedlicher Demonstranten. Viele dieser Menschen eint ein Gefühl der Angst, manchmal diffuse Zukunftsangst, öfter die klar beschriebene Angst vor Entgrenzung. Ihr gemeinsamer Wunsch ist: Der Planet Erde soll überleben. Auch sie sind in Genua. Zu Tausenden. Und stehen den Reise-Terroristen gegenüber, die der kruden Faszination von Militanz erlegen sind. Die mit ihrem demonstrativen Treiben und ihrem provokanten Missbrauch von Politik die Szene beherrschen. Ist der Spuk vorbei, wenn die Medien sich einfach abwenden? Das wäre das Ende der Öffentlichkeit solcher Gipfel, und es wäre eine Entdemokratisierung, weil ausgewählt würde zwischen genehmen und unangenehmen Nachrichten.

Nach Genua ist es in jedem Fall richtig, die Touristen der Gewalt zu verfolgen und zu bestrafen. Aber das reicht nicht: Vielleicht erhalten friedliche Globalisierungsgegner jetzt einen Platz am Tisch der großen Acht. Auch das wäre richtig. Wer für die Welt sprechen will, muss sie hören. Dann könnten die Skeptiker ihre Argumente sammeln und in die Öffentlichkeit tragen, ganz zivil. Dann würde es schwieriger mit Autoritarismus und Reise-Terrorismus. Hoffentlich. Sonst haben diese Gipfel keine Zukunft mehr.

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