Gastbeitrag: Fracking für mehr Selbstbestimmung in Europa
In Deutschland gibt es Vorbehalte gegen die Förderung von Gas mittels Fracking. Unser Gastautor ist Abgeordneter des Staates Pennsylvania, wo die Methode schon an zahlreichen Orten eingesetzt wird - zum großen Nutzen der lokalen und der nationalen Wirtschaft, wie Tim Murphy schreibt.
Natürliche Gasvorkommen sind essenziell für vier Wirtschaftsbereiche: als Rohmaterial für Chemikalien in Düngemitteln und Plastik, als Treibstoff, für die industrielle Produktion (zum Beispiel von Stahl) und, was wichtig ist, für Heizungswärme und Strom. Wir wissen, dass der zukünftige Energiebedarf der USA, Deutschlands und der übrigen westlichen Nationen nicht durch Sonnen- und Windenergie gedeckt werden kann. Trotz massiver Subventionen werden Solarenergie und Wind immer durch Fluktuationen begrenzt sein.
Geht man aber davon aus, dass Gasvorkommen und fossile Energieträger gebraucht werden, wird die Frage umso wichtiger, wer den Zugang zu diesen Energiequellen kontrolliert und reguliert. Denken Sie einmal über die drei Schlüsselbereiche Umwelt, Wirtschaft und Geopolitik nach.
Der Chemiemix, der eingesetzt wird, besteht zu 99,5 Prozent aus Wasser
Der Chemikalienmix, den man braucht, um das Gas aus dem Schiefergestein herauszulösen, besteht zu 99,5 Prozent aus Wasser und Sand. Die Behauptung, die jüngst in einem amerikanischen Film aufgestellt wurde, nämlich dass die Gewinnung von Schiefergas zu entflammbarem Trinkwasser führe, bleibt falsch, sie wurde sowohl von Bundes- als auch von regionalen Regulierungsbehörden als unrichtig entlarvt. Die Behörden haben darauf hingewiesen, dass natürlich vorkommendes Methangas die Ursache war.
Deutschland kann hohe Umweltschutzstandards vorgeben und diese anpassen, verschärfen und verändern, wann immer es nötig ist. Wenn die Energie aber aus anderen Ländern importiert wird, hat der Importeur wenig bis gar keine Kontrolle darüber, wie die Umwelt bei dessen Gewinnung beeinträchtigt wurde.
Durch Energieimporte fließt zuviel Geld ins Ausland
Der wirtschaftliche Effekt der Gewinnung von Schiefergas ist spürbar. Durch das Schiefergas sind in meinem Staat Pennsylvania 245 000 Arbeitsplätze entstanden. Die bezahlbare Energie hat heimische Industrien wiederbelebt, etwa die Stahl- und Chemikalienbranche. Milliarden von Dollar fließen infolge der sicheren Gewinnung von Schiefergas nun in die Stahlindustrie. Das Finanzministerium von Pennsylvania hat in einem Bericht festgestellt, dass die Gewinnung dem Staat in einem Zeitraum von fünf Jahren 1,1 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen beschert hat. Was die gesamten USA angeht, berichtet die Energiebehörde, dass Schiefergas über 250 Milliarden Dollar an Staatseinnahmen generiert habe.
Europäische Unternehmen profitieren bereits vom amerikanischen Fracking
Europäischen Unternehmen ist das nicht entgangen. Royal Dutch Shell hat im März 2012 angekündigt, für mehrere Milliarden Dollar ein Petrochemiewerk in der Nähe von Pittsburgh zu bauen, um von den reichhaltigen Schiefergasvorkommen zu profitieren. BASF hat seit 2010 5,7 Milliarden Dollar in das Nordamerika-Geschäft investiert.
Trotz dieser Erfolge betrug das Handelsdefizit der USA mit den OPEC-Ländern im vergangenen Jahrzehnt im Schnitt fast 103 Milliarden Dollar pro Jahr. Mehr als eine Billion Dollar werden außer Landes geschickt und nicht in die US-Infrastruktur investiert, nicht in Bildung, nicht in Arbeitsplätze. Wir arbeiten daran, dieses Defizit zu verringern, indem wir mehr Energie exportieren.
Was die geopolitischen Konsequenzen der Abwägung zwischen eigener und importierter Energie angeht, hat es reelle und ernüchternde Konsequenzen, von anderen Nationen abhängig zu sein. Denken Sie nur an die Ereignisse 2009, als Russland die Gaslieferungen in die Ukraine einstellte, oder als Ägypten 2012 einseitig den Gasvertrag mit Israel aufkündigte. Die Folgen für die Sicherheit und den wirtschaftlichen Wohlstand einer Nation können nicht genug betont werden.
Die Energieversorgung wird eines der wichtigsten Staatsinteressen bleiben. Aber werden Deutschland und die EU ihr Schicksal in die Hand nehmen – oder werden sie weiterhin von anderen Staaten und den OPEC-Ländern fremdbestimmt werden?
Der Autor ist Abgeordneter des Staates Pennsylvania im Repräsentantenhaus und Mitglied des Energie- und Wirtschaftsausschusses. Übersetzung: Anna Sauerbrey.
Tim Murphy
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