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Meinung: Gastkommentar: Ein Fischer - für Bush

Bei einer Konferenz der "New Atlantic Initiatives" in London fragte ein Brite diese Woche aufgeregt nach Deutschlands Zukunft. In früheren Jahrhunderten waren die Deutschen das Volk der Dichter und Denker.

Bei einer Konferenz der "New Atlantic Initiatives" in London fragte ein Brite diese Woche aufgeregt nach Deutschlands Zukunft. In früheren Jahrhunderten waren die Deutschen das Volk der Dichter und Denker. In der Weimarer Zeit liederliche Hedonisten. Und ein paar Jahre später Nazis. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren sie die besten Europäer. Was, fragte er besorgt, kommt jetzt?

Meine Hoffnung ist, die Deutschen lernen, Heuchler zu werden. Selbstverständlich, im Prinzip sollte man Heuchelei verachten. Aber im Medienzeitalter wird zu genau darauf geachtet, ob ein Politiker seine Meinungen ändert. Oder das eine sagt und später das Gegenteil tut. Das ist ein Rücktrittsgrund, mindestens. Was für ein Unsinn. Am gefährlichsten sind doch die Ideologen. Das sieht man an George W. Bushs Kabinett: Justizminister John Ashcroft will ein neuer Savonarola sein.

Nun geht auch der Trend in Deutschland dahin, die Vergangenheit neuer Minister unter die Lupe zu nehmen - wie in den USA, wo ausführliche Hearings die Regel sind. Darf eine Gesundheitsministerin in einer Nachtbar gejobbt haben? Joschka Fischer wirft die CDU vor, er sei ein Wendehals - was bislang nur für Ossis gefährlich war. Fischers Problem sind aber nicht sein Amt und seine Designer-Anzüge heute. Sondern: dass er früher ideologisch verbohrt an etwas geglaubt hat.

Die Kritik an Fischer ist verkehrt. Er hat sich für das postmoderne Zeitalter neu erfunden. Früher kämpfte er für Ideale, jetzt für seine Karriere, die schädlichen Überzeugungen hat er über Bord geworfen. Beim Blick auf Bushs Kabinett wünschen sich viele Amerikaner, wir hätten auch ein paar Fischers.

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