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Meinung: Gastkommentar: Zwei Männer in Mitte

Korrespondenten mittleren Alters haben es nicht leicht. In Afghanistan haben sie Mühe, schwer atmend mit ihren ehrgeizigen 25-jährigen Kollegen Schritt zu halten.

Korrespondenten mittleren Alters haben es nicht leicht. In Afghanistan haben sie Mühe, schwer atmend mit ihren ehrgeizigen 25-jährigen Kollegen Schritt zu halten. Der Autor dieser Zeilen hat es würdiger und ehrenhafter getroffen. Meiner Vorstellung von Reportagen mit erhöhtem Risiko entspricht eher - ein Dinner im "Maxwell". Klar, diese Aufträge sind heutzutage nicht mehr so gefährlich wie früher. Allerdings werden sich jene unter uns, die über ein gutes Gedächtnis verfügen, an die Abendessen im Belagerungszustand erinnern: umzingelt von offenbar ausgehungerten Chaoten. Die Kellner aber bewahrten Haltung, damals so gut wie heute. "Wie mögen Sie ihren Porsche, mein Herr? Vielleicht heute mal flambiert?"

"Maxwell" liegt inzwischen in Mitte, da ist der Porsche sicher. Seriösen Journalismus kann man dort immer noch beim Dinner pflegen. Nehmen wir nur mal das Gästebuch. Da finden sich all die Namen der üblichen Verdächtigen: Kate Moss, Mel Brooks. Doch halt! Auch Joschka Fischer hat hier gegessen, gemeinsam mit ... Gregor Gysi.

Interessant. Beide Männer haben es mit ihrer Stellung in ihren Parteien nicht gerade bequem, beide sind klug, beide sind immer auf der Suche nach etwas, das über die 08/15-Bundestagsroutine hinausgeht. Derzeit sind die politischen Unterschiede zwischen den Grünen und der PDS noch nicht groß genug, als dass Platz bliebe für eine persönliche Freundschaft ihrer Führungsfiguren. Was also hat Fischer und Gysi gemeinsam ins "Maxwell" geführt?

Anwerbung eines Überläufers?

Eine Verschwörungstheorie ist rasch gefunden. Sie geht ungefähr so: Gregor Gysi ist die PDS leid. Er hat den Posten des Wirtschaftssenators in Berlin übernommen, um zu beweisen, dass er zum seriösen Politiker taugt. Nach der Bundestagswahl wird er den Senatsjob und das PDS-Parteibuch zurückgeben, wird bei den Grünen eintreten und einen Posten in der rot-grünen Bundesregierung antreten. So lautet Fischers mephistophelisches Angebot.

Und was hat Joschka Fischer davon? Die Spaltung und möglicherweise sogar die Zerstörung der PDS. Denn dieser Partner könnte die Unterstützung für die Grünen im Osten neu entfachen und ihr Überleben auf viele Jahre sichern. Gysi ist ein geborener Überläufer, Fischer hat eine gute Nase für Loyalitätsbruch.

Oder, als alternative Theorie: Fischer würde Gysi gerne als BND-Agenten gewinnen, denn Gysi ist ein Mann mit einschlägigen Erfahrungen.

Entspricht die eine oder die andere Theorie der Wahrheit? Womöglich weder, noch. Ich warte schon mal auf Gregor Gysis Klage auf Unterlassungserklärung. Aber es könnte wahr sein. Denn es fällt schwer zu glauben, dass Fischer und Gysi zusammen gespeist haben, um über den Charme der Toskana zu diskutieren. Oder über die Zukunft Berlins.

Tagesspiegel-Leser! Sollten Sie Fischer und Gysi beobachtet oder, besser noch, ihre Unterhaltung aufgenommen oder mitgeschrieben haben, wenden Sie sich, bitte, an mich. Schließlich leben wir in den Zeiten interaktiver Nachrichten.

Der Autor ist Korrespondent der britischen Tagesze

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