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Meinung: Geldregen, Weltsegen

Nach der Flut: Wie erschüttert unser Vertrauen in die Vereinten Nationen ist, wollen wir nicht wahrhaben

Von Caroline Fetscher

Durch die Hände von UN-Beamten sollen Abermillionen Dollar fließen, die aus aller Welt auf den „Tsunami-Konten“ landeten. Die Nationen haben vereint geholfen, die Vereinten Nationen müssen diese Hilfe jetzt verwalten. Wer gibt, will wissen, was aus der Gabe wird. Man wird den Finanzministern der Weltinnenpolitik auf die Finger sehen wollen und in die Taschen. Gefragt sind maximale Integrität, Transparenz und Resistenz gegenüber den Versuchungen der Korruption. Gebraucht werden Realismus, rasches, kluges Handeln und Mut. All dies hat die Vereinten Nationen in den größten Krisen der vergangenen Jahre kaum ausgezeichnet.

Als UN-General Romeo Dallaire am verzweifeltsten vor einer Katastrophe warnte, in Ruanda 1994, zog der Sicherheitsrat alle bis auf 500 Soldaten ab. Manche von ihnen zerbrachen an dem, was sie dann machtlos mitansehen mussten. Es gab 800 000 Tote. In seinen Memoiren nennt Dallaire seine Jahre bei den UN „eine Geschichte von Verrat und Versagen, Naivität, Gleichgültigkeit, Hass, Genozid, Krieg und Unmenschlichkeit“. Kopf der „Peacekeeping Operations“ damals war Kofi Annan, heute als Generalsekretär der Chefdiplomat des Globus.

Bosnien 1995, das hieß: Srebrenica. 8000 Muslime des Ortes, kleine Jungen, Männer, Greise, werden vor den Augen von UN-Blauhelmen von bosnisch-serbischen Militärs ermordet. Der Ausdruck „Schutzzone“ verliert seine Aura. Beim „Nationbuilding“ in Bosnien und im Kosovo wollten sich die UN dann beweisen: Beide Territorien wurden ihrer Verwaltung anvertraut – nachdem erst US-Bomber in Bosnien, Nato- Truppen im Kosovo Frieden gebracht hatten. Beide UN-„Treuhandgebiete“ produzierten wirtschaftliche Wüsten mit bis zu 60 Prozent Arbeitslosen.

Irak 2003: Ein milliardenschwerer Korruptions- Skandal kommt ans Licht. Jahrelang unterhielt Saddam Hussein seinen Terrorapparat, seine Paläste und Fuhrparks aus illegalen Nebenerlösen des von den UN beaufsichtigten Öl-für-Lebensmittel-Programms, das ihm erlaubt hatte, Waren gegen Ölgutscheine einzutauschen. Neben Saddam und UN-Personal kassierten offenbar auch hunderte Politiker und Konzerne weltweit mit. Sogar Kofi Annans eigener Sohn stand auf der Gehaltsliste einer Firma, die mit dem Programm Profite machte.

Kongo 2004: Gegen mehr als 150 der Peacekeeper im Land müssen die UN selbst wegen Sexualdelikten an Mädchen, Jungen und Frauen ermitteln lassen. Von Vergewaltigungen bis zur Pornoproduktion und der Abgabe von Hilfsgütern gegen „Lohnsex“ reichen die Straftaten. Die Londoner „Times“ nennt den Fall Kongo „das Abu Ghraib der UN“.

Und nun, die Welt 2005: „Reform“ ist ein Mantra des sanftmütigen und gebeutelten Diplomaten Annan, der den Riesenapparat ja seit langem umbauen will. Intern ließ er dicke, bittere Berichte über die Tragödien von Ruanda und Srebrenica anfertigen, er will die UN schlanker und transparenter, moderner. Weit ist er damit nicht gekommen.

Wie erschüttert unser Vertrauen in die UN ist, wollen wir eigentlich nicht wahrhaben. Weil die Mehrzahl aller Menschen weltweit in ihr die Hoffnung sehen möchten, die sie – theoretisch – bedeuten. Wer allerdings die Theorie liebt, der muss die Praxis sehen. Bang warten Annan und sein Apparat jetzt auf den vollständigen Bericht über das Öl-für-Lebensmittel-Programm. Bis dahin, das wissen sie, darf es möglichst keine Schlagzeile „Tsunami-Korruption bei den UN“ geben. Annans nächste Bewährungsprobe ist eine der härtesten. Warum? Weil sich diesmal, anders als im Fall der „fernen Schwarzen“ und des „wirren Balkan“ so viele Länder betroffen fühlen, wie nie vorher, weil die Nationen vereint auf die Vereinten Nationen aufpassen werden, wie nie zuvor. Das ist hart für die UN. Aber es kann auch ihre größte Chance werden.

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